Impuls zum 7. Sonntag der Osterzeit

von Gemeindereferentin Monika Tenambergen

 

Evangelium: Joh 17,6a.11b-19

In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach:

6a Vater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.

11b Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir!

12 Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllte.

13 Aber jetzt komme ich zu dir und rede dies noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.

14 Ich habe ihnen dein Wort gegeben und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.

15 Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst.

16 Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.

17 Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.

18 Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.

19 Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.

 

Impuls

Worüber redet man, wenn man am Ende seines Lebens angekommen ist? Dann, wenn der eigene Tod schon in Sichtweite ist – wenn die letzte und vielleicht wichtigste Stunde des Lebens gekommen ist – wenn es wirklich darauf ankommt, weil man nur noch diese eine Gelegenheit hat, etwas weiterzugeben von dem, was einem wichtig ist?

Dies ist die Situation, in der sich Jesus mit seinen Jüngern befindet. Zuvor hatte er nach seinem Einzug in Jerusalem noch eine letzte öffentliche Rede gehalten – und sich dann zurückgezogen in die private, vertraute Umgebung seiner Jünger.

Jetzt sind sie im Abendmahlssaal. Ein letztes gemeinsames Essen, ein letzter Liebesdienst – die Fußwaschung – an seinen Jüngern,[1] letzte Worte des Trostes, der Mahnung, der Stärkung, der Ermutigung.[2] Abschiedsworte.

An diesem Abend verdichtet sich die Atmosphäre mit jeder Handlung, mit jedem gesprochenen Wort mehr und mehr. Am Ende ist alles gesagt, zumindest das, was wichtig ist. Doch noch immer haben die Jünger nicht verstanden, worum es Jesus wirklich geht. Er jedoch macht ihnen keinen Vorwurf, sondern hat ein letztes Wort des Trostes für sie: „Die Stunde kommt, und sie ist schon da, in der ihr versprengt werdet, jeder in sein Haus, und mich werdet ihr allein lassen. Aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir. Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“[3]

Dann ist Schluss. Jesu Rede ist zu Ende. Ich stelle mir vor, wie still es ist. Keiner sagt ein Wort. Man kann die sprichwörtliche Nadel fallen hören.

Einen Augenblick später werden die Jünger Zeugen der innigen Beziehung Jesu zu seinem Vater. Jesus spricht nicht mehr zu ihnen, sondern zu ihm. Bevor er seinen letzten Weg antritt, übergibt er seine ganze Existenz mit allem, was er zu Lebzeiten gewirkt hat, seinem Vater. „Vater, Ich habe dich auf der Erde verherrlicht und das Werk zu Ende geführt, das du mir aufgetragen hast.“[4]

Dieses Abschiedsgebet Jesu umfasst das ganze 17. Kapitel des Johannes-Evangeliums. Am 7. Ostersonntag im Lesejahr B hören wir daraus den mittleren Teil, der in der Einheitsübersetzung mit „Jesu Fürbitte für die Jünger“ überschrieben ist. Was ist Jesus mit Blick auf seine Jünger, die er nun verlassen muss, so wichtig, dass er es im Gebet seinem Vater anvertraut?

Jesus bittet um die Bewahrung seiner Jünger im Namen Gottes, den er den Menschen offenbart hat.[5] Schon Jahrhunderte zuvor hatte Gott seinen Namen offenbart, als Mose ihn am Dornbusch in der Wüste auf dem Sinai danach fragte: „Ich bin, der ich bin“.[6] Schon da hatte er sein Wesen gezeigt: Er ist ein Gott der mitgeht, der sich anrufen lässt, der Gemeinschaft sucht. Josef Ratzinger schreibt dazu: „So wurde im Laufe der Glaubensgeschichte Israels immer deutlicher, dass mit „Name Gottes“ seine Immanenz gemeint war: seine Gegenwärtigkeit mitten unter den Menschen, in der er ganz da ist und doch alles Menschliche und Weltliche unendlich überschreitet.“[7]

Diese Immanenz Gottes – seine Gegenwärtigkeit – bekommt durch die Menschwerdung Jesu eine ganz neue Dimension. Der Name Gottes bekommt Hand und Fuß, Mund und Herz, damit die Menschen das Wesen Gottes noch besser erkennen können. Und nicht nur das: „In diesen Namen, in dieses Wesen sind die Jünger hineingenommen wie in einen neuen, heiligen Lebensraum […]. Jesu Bitte richtet sich darauf, dass der Vater sie in diesem „Raum“ festhält und bewahrt.“[8] „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet und keiner von ihnen ging verloren.“[9]

Wie eine Mutter oder ein Vater, die bzw. der alles gegeben haben, damit ihre Kinder gut ins Leben starten können, kommt Jesus mir hier vor. Jetzt muss er loslassen, weil er selbst seinen eigenen Weg zu Ende gehen muss. Er sieht die Gefahren, die in der Welt lauern. Er weiß, wie leicht Menschen manipulierbar sind und in andere, unheilvolle Richtungen gezogen werden können. Er hat selbst erfahren, wie weit der Hass[10] gehen kann und sieht dies auch auf seine Jünger zukommen. Werden sie dann standhalten? Werden sie der Mehrheitsmeinung etwas entgegen zu setzen haben, wenn es darauf ankommt? Das ist die Sorge Jesu – und er kann nichts anderes mehr tun, als sie im Gebet seinem Vater zu übergeben und darauf zu vertrauen, dass jetzt er sie behütet, damit sie eins bleiben und so glaubwürdige Zeugen seiner Wirklichkeit in dieser Welt werden.

Wie hat das Abschiedsgebet Jesu geklungen? Vielleicht ähnlich wie das bekannte Taizé-Lied, das Sie unten nachhören können: „Behüte sie, Gott. Ich vertraue sie dir an. Zeige ihnen den Weg zum Leben, zur Freude in Fülle!“

[1] Joh 13

[2] Joh 14-16

[3] Joh 16,32 f.

[4] Joh 17,4

[5] Joh 17,6

[6] Ex 3,14

[7] Josef Ratzinger, Jesus von Nazareth, Band 2, Herder-Verlag

[8] Stuttgarter Neues Testament, Einheitsübersetzung mit Kommentar und Erklärungen, Kath. Bibelanstalt Stuttgart

[9] Joh 17,11 f.

[10] Hass muss hier nicht unbedingt eine negative, feindlich gesinnte Emotion bedeuten. Im Sinne des Johannes-Evangeliums ist hier auch schon die einfache Ablehnung des Göttlichen in der Welt gemeint.

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