Effata – Öffne dich!

Von Pater Sascha-Philipp Geisler SAC

Foto: Tenambergen

Evangelium: Mk 7, 31–37

In jener Zeit
31 verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekápolis.

32Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen.

33Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel;

34danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Éffata!, das heißt: Öffne dich!

35Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden.

36Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es.

37Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.

 

Predigt

Liebe Kinder und Jugendliche, liebe Erwachsene, liebe Mitchristen auf dieser Ansverus-Wallfahrt,

richtig hören und sehen zu können, das ist zweifellos wichtig, oder? Wer nicht mehr gut hören oder sehen kann, leidet darunter, fühlt sich vom Leben abgeschnitten.

Die Bibel beschäftigt sich oft mit solchen Sinnesfragen, mehr als 1000mal allein im AT.

Dabei geht es freilich um viel mehr als Akustik oder Optik, es geht um eine viel tiefere Dimension!

Beim Sehen geht es der Bibel nämlich vor allem um das wahrhaftige Erkennen Gottes, also um Liebe zu Gott; und beim Hören geht es um das richtige Begreifen Gottes, also um Verstehen und Beherzigen seiner Weisung.

Der Prophet Jesaja prägt die Verheißung: Taube werden hören, Blinde werden sehen! Doch zuerst kommt für den Propheten der entscheidende Ruf: „Seid stark, fürchtet euch nicht! Seht, euer Gott!“ Dann – möchte ich ergänzen – kommt das richtige Hören und das scharfe Sehen von ganz allein.

Bei Jesus wird diese Verheißung des Propheten Wirklichkeit. Seine Heilungswunder sind zwar keine Berichte aus dem Medizinlehrbuch.

Aber wo Menschen wie der Taubstumme im heutigen Evangelium offen und empfänglich werden für die schöpferische Liebe Gottes, da bleibt nichts, wie es war. Denn die Liebe Gottes bewirkt offene Augen und klare Einsicht bei zuvor hilflosen und in sich verschlossenen Menschen.

Wie schon bei Jesaja mit seinem „Seid stark, seht da, euer Gott!“ ergeht auch bei Jesus vor dem Heilungswunder ein Befehl: „Effata – Öffne dich!“ Erst muss die Offenheit für das Wirken Gottes da sein, dann kann sich Heil ereignen.

Effata – Öffne dich!

Liebe Mitchristen, diesen Ruf brauchen wir heute genauso wie der Taubstumme damals. Es braucht auch heute Menschen, die empfangsbereit sind für Gottes Wirklichkeit und seine Möglichkeiten.

Gerade heute braucht es viele Menschen, die sich nicht die Augen blenden lassen und sich nicht die Ohren und Herzen zustopfen lassen von hasserfüllten Parolen und Hetze und Angstmacherei.

Effata – Öffne dich!

Wer als glaubender Mensch mit Gott zu tun hat, der kann die Welt und die Wirklichkeit anders, tiefer sehen und hören und wahrnehmen.

So mögen wir alle selbst sehenden Auges und offenen Ohres erfahren, was die Leute damals staunend über Jesus sagten: „Er hat alles gut gemacht!“

Sie wissen ja, liebe Christen, wo dieses „gut gemacht“ zuerst in der Bibel auftaucht: Ganz am Anfang, in der Schöpfungserzählung. Was Gott schafft, ist gut, sehr gut. Wo Gott handelt, wird alles heil.

Ich wünsche Ihnen und euch und mir, gerade heute, wo wir uns an den Mönch und Missionar und Märtyrer Ansverus aus dem 11. Jahrhundert erinnern und sein Lebenszeugnis für Gott, sein Hören und Sehen und Tun der Liebe Gottes feiern, dass wir das wirklich hören, und dass wir es sehen.

Ich wünsche uns bei dieser Wallfahrt, dass wir begreifen und er-kennen, dass wir inmitten dieser unserer in Vielem unheilen und fragwürdigen Welt be-kennen: Wir glauben an einen Gott, der das Leben liebt und fördert, der heiles Leben für alle Menschen will!

Diesem Gott mögen unsere Ohren und unsere Hirne und Herzen offenstehen. Und unsere Hände und Füße, unsere Stimmen sollen dafür sorgen, dass Jesu Wort und Werk auch heute verkündet und getan wird, zum Heilwerden der Welt.

„Liebe macht blind“, heißt es. Ich meine ganz im Gegenteil: Wer es mit der Liebe Gottes zu tun bekommt, der erfährt es genau anders herum: Wer der Liebe zu Gott und den Menschen Raum gibt, der sieht anders, der hört anders, der handelt anders.

Nichts anderes ist von uns Getauften heute verlangt.

Also: „Effata – Öffne dich!“ – und „Sagt den Verzagten: Habt Mut, seht, hier ist euer Gott.“ Amen.

 

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