von Gemeindereferentin Judith Zehrer
Erste Lesung: 1 Kor 12,4 –11
4 Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist.
5 Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn.
6 Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen.
7 Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.
8 Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln,
9 einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen,
10 einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen.
11 Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.
Geistlicher Impuls
„Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“ Diesen Satz hatte ich beim ersten Lesen ganz übersehen, muss ich gestehen. Er ist aber ganz zentral, finde ich, für alle Gedanken, die wir uns zum Thema „Gaben“ machen. Jedem Menschen ist die Gabe geschenkt, den Heiligen Geist zu spüren, zu erleben und zu erkennen. Und diese Offenbarung ist eine Gabe, die wir nicht nur für uns, sondern für andere einsetzen sollen, so dass sie anderen hilft. Wir dürfen Gott in dem erkennen, was wir gut können. Gott wirkt durch uns in dieser Gabe. Und er möchte jedem Menschen durch uns etwas schenken.
Wir können uns sehr viele Gedanken darüber machen, welche dieser im Korintherbrief genannten Gaben für uns selbst wohl zutrifft. Es gibt Bücher, Tests und Kurse, die sich darauf spezialisiert haben, herauszufinden, welche Gabe jeder einzelne hat und wie er sie in der Gemeinde einsetzen kann. Ich selbst habe einige davon gelesen und gemacht und kann sagen, ein Stückchen weiter bin ich so gekommen. Aber die Erkenntnis über den Sinn meines Lebens habe ich darin nicht gefunden.
Ich glaube, dass die Gaben des Heiligen Geistes so vielfältig sind, wie es Menschen auf der Welt gibt. Für jeden hat sich Gott eine ausgedacht. Ganz speziell für ihn. Die so genau passt und so fruchtbar ist wie Braut und Bräutigam, eben wie Mensch und Gott (siehe 1. Lesung: Jes 62,1-5). Und jeder Mensch hat genau diese Gabe, um sie für den Bau des Reiches Gottes einzusetzen. Wenn jeder seine Gabe einsetzt, dann fügen sich alle wie Puzzleteile zu einem Ganzen, zu einer neuen Welt in Frieden zusammen.
Es ist gut, wenn sich jeder von uns auf die Suche nach seinen Gaben macht, um diese füreinander einzusetzen. Aber diese Suche soll nicht zu Frust führen. Es scheint oft so, dass die anderen bessere und offensichtlichere Gaben haben als man selbst. Der eine kann super reden, die andere ist unglaublich geduldig … Und wo bleibe ich da? Doch genau darauf gibt uns Paulus in seinem Brief eine Antwort: Jeder hat eine besondere Gabe – und keine Gabe ist besser oder schlechter als die andere. Wir sollen aufhören, uns mit anderen zu vergleichen. Niemand kann den Weg eines anderen gehen. Wir sollen uns selbst nicht in eine Schublade stecken, sondern ein neues Lied singen, unser Lied! Und manchmal braucht es auch den Blick, den Mut und den Schubs eines anderen, damit wir uns trauen, unsere Gabe zum Leuchten zu bringen (siehe Evangelium: Joh 2,1-11).
Das, worauf es wirklich ankommt, ist nicht die Gabe und ihr Einsatz für die anderen. Denn darin kann man sich schnell verlieren. Das, worauf es wirklich ankommt, ist die Erkenntnis, dass Gottes Geist in uns wirkt. Am Anfang des Korintherbriefes schreibt Paulus, dass wir zur Gemeinschaft mit Jesus Christus berufen sind. Er geht mit uns und wir dürfen ihn jeden Tag aufs Neue fragen: „Wofür brauchst du mich heute? Was oder wen legst du mir heute ans Herz?“ Magnus Malm hat einmal geschrieben: „Die Berufung ist nicht ein Auftrag, bestimmte Dinge für Gott zu erledigen, sondern die Einladung in eine Gemeinschaft.“ Denn über allen Gaben steht letztendlich die Liebe, schreibt Paulus im nächsten Kapitel. Ohne die Liebe nützen uns unsere Gaben nichts. Wenn jeder seine Gabe in Liebe einsetzt und seine Stimme im Einklang mit Gott erhebt, dann wird ein wunderbares Lied erklingen, das uns nie mehr aus den Ohren geht. Das glaube ich.