Advent – Gottes Ankunft in Geist und Kraft
von Gemeindereferentin Monika Tenambergen
Mit dem heutigen 17. Dezember beginnt der „Countdown“ der diesjährigen Adventszeit. Bis zum 23. Dezember greift die Liturgie im Gesang der O-Antiphonen die sehnsüchtige Erwartung des Gottesvolkes Israel auf, das seit Jahrhunderten auf den Messias, den Heilsbringer wartet. Und wir werden noch einmal daran erinnert, unsere Herzen und unseren Geist für die Ankunft Christi zu öffnen, dessen Menschwerdung wir in der Weihnachtsnacht feiern.
Wir feiern aber nicht nur ein geschichtliches Ereignis in der Vergangenheit, sondern gleichzeitig feiern wir unsere Hoffnung auf die Wiederkunft Jesu Christi, wenn er die ganze Schöpfung zur Vollendung führt und alle Menschen das Heil Gottes schauen werden.
Und dann gibt es noch die dritte Ankunft Jesu, die dazwischen, die in der Gegenwart. Und ich frage mich: Wo ist er, der außerhalb von Raum und Zeit existiert, gegenwärtig in unserer Welt? Wie und wo wirkt er? Woran erkenne ich, dass er mit dem Aufbau seines Reiches der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe schon begonnen hat?
Von Bernhard von Clairvaux habe ich dieses Zitat gefunden:
„Eine dreifache Ankunft des Herrn kennen wir. […] In der ersten Ankunft kam er im Fleisch und in der Schwachheit. In dieser mittleren kommt er in Geist und Kraft, in der letzten in Herrlichkeit und Majestät.“
Ich denke mir, diese Ankunft Gottes in Geist und Kraft muss ja irgendwie in der Gegenwart spürbar und sichtbar sein, sonst macht die Rede vom „mittleren Advent“ ja gar keinen Sinn. Ich möchte Sie mitnehmen auf meine Entdeckungsreise und Sie einladen, mit offenen Augen auch selbst auf die Suche zu gehen. Ich bin sicher, Sie werden staunen …
Als Erstes möchte ich mit Ihnen ein diesjähriges Urlaubserlebnis teilen, das mir die Augen dafür geöffnet hat, mit welcher Kraft Gottes Geist wirkt, wie er die Herzen der Menschen berührt und zur Tat antreibt.
Wir alle kennen die Bilder von der Flutkatastrophe im Ahrtal in diesem Sommer und dem darauffolgenden Helferstrom von Menschen nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch aus Dänemark, Österreich, Niederlande, Ghana, USA, Mexiko …
Bereits wenige Tage nach der Katastrophe gründeten zwei Männer, die selbst von der Flut betroffen waren, an einem Campingtisch unter einem Sonnenschirm den „Helfershuttle“, um die freiwilligen Helfer koordiniert in die Flutgebiete zu den Menschen zu bringen. Aus diesem kleinen, privat organisierten Anfang ist innerhalb weniger Wochen eine riesige Hilfsorganisation gewachsen, die jedem, der sich gerufen fühlt, ermöglicht, einfach zu helfen, auch noch Monate nach der Schreckensnacht.
Ich war dort und habe selbst gesehen, wieviel Segen auf diesem Projekt liegt. Es schenkt Hoffnung und Zukunft, und auf die Frage woher diese große Solidarität kommt, antwortete Thomas Pütz, einer der Organisatoren: „Die Solidarität schlummert schon immer in uns. Da ist ein Kern freigelegt worden, der war schon immer da, der war aber von außen verkrustet und die Flut hat diese Kruste abgeschlagen – und das Gute im Menschen herausgeholt.“
>> Einen Video-Beitrag über das Projekt finden Sie hier.
Ein anderes Beispiel: Der erste weltweite Corona-Lockdown. Irgendwo in Utah lebt die 15jährige Savannah Shaw. Sie singt für ihr Leben gern und hat die Idee, zusammen mit ihrem Vater Mat ein Video aufzunehmen, um es mit ihrer Familie und ihren Freunden zu teilen. Das Lied, das die beiden singen, heißt „The Prayer“. Inzwischen wurde es über 9 Millionen Mal auf Youtube aufgerufen und hat, wie man in den Kommentaren lesen kann, unzähligen Menschen in der Corona-Zeit Trost gespendet.
>> Das Lied „The Prayer“ finden Sie hier.
Und noch ein Beispiel: Vor einiger Zeit hörte ich im Radio einen Beitrag über Martin Aufmuth aus Immenstadt im Allgäu. Er ist der Erfinder der Ein-Dollar-Brille. Der ehemalige Mathe- und Physiklehrer fragte sich, warum man in Deutschland billige Brillen aus China im 1-Euro-Shop kaufen kann. Warum sind Brillen im reichen Deutschland so billig und in Afrika so teuer? Er fasste einen Entschluss, dagegen etwas zu unternehmen. In seinem Keller bastelt er eine Biegemaschine für Brillengestelle. Sie soll ohne Strom funktionieren, damit in den Entwicklungsländern leicht, preiswert und vor Ort Brillen hergestellt werden können. Seine Vision: Durch eine augenoptische Grundversorgung für alle neue Arbeitsplätze zu schaffen und Armut zu bekämpfen. Seit der Gründung des Vereins „EinDollarBrille e.V.“ im Jahr 2012 ist daraus eine Hilfsorganisation mit 300 ehrenamtlichen Unterstützern in Deutschland, der Schweiz und USA und 200 fest angestellten Mitarbeiter/innen in den Projektländern geworden.
>> Weitere Informationen über den Verein „EinDollarBrille e.V.“ finden Sie hier.
Dies sind nur drei Beispiele, die ich Ihnen hier nur kurz skizzieren kann, und Sie fragen sich vielleicht, warum ich Ihnen gerade über diese Projekte berichte. Außer dem ersten habe ich keines persönlich kennengelernt, sondern lediglich davon gehört. Aber sie zeigen mir:
- Gottes Ankunft in Geist und Kraft ereignet sich überall, wo Menschen sich füreinander einsetzen.
- Gottes Ankunft in Geist und Kraft ereignet sich überall, wo aus einem kleinen unscheinbaren Anfang etwas Großes wächst, das die Handelnden kaum jemals erwartet hätten. Ganz wie im Gleichnis vom Senfkorn geschieht es wie von selbst.
- Gottes Ankunft in Geist und Kraft ereignet sich nicht allein in den vielen kirchlichen Projekten und Einrichtungen, sondern ebenso an vielen anderen Orten in unserer Gesellschaft, sogar durch Menschen, die nicht an ihn glauben.
In einer Zeit, in der die Nachrichten uns oft genug die Dunkelheit dieser Welt vor Augen führen, machen mir diese Beispiele Mut. Sie begeistern mich. Sie machen Hoffnung, dass Gottes Reich nahe ist. Sie lassen mich mit neuen Augen sehen und staunen. Und ich werde dankbar dafür, dass Gott auch durch meine noch so kleinen Taten Großes wirken kann. Manchmal ist es nur ein passendes Wort im richtigen Augenblick gesprochen, ein kleines Samenkorn, das aufgeht im Herzen eines Menschen.