von Pfarrer Christoph Scieszka
Liebe Schwestern und Brüder,
es wird langsam grau und ungemütlich, wenn wir unsere Häuser verlassen. Jedes Mal, wenn ich ein wenig pessimistisch werde, versuche ich, an jeder Jahreszeit etwas Positives zu entdecken. Beim Seniorennachmittag am Mittwoch berichtete ich von einem polnischem Schriftsteller – Władysław Reymont – und von seinem Roman „Die Bauern“. Reymont beschreibt das menschliche Leben im Zyklus der vier Jahreszeiten. Er erzählt folgende Geschichte:
Ein weiser König hatte vier Söhne. Um ihnen eine wichtige Lektion zu erteilen, beschloss er, sie aufzufordern, einen Kirschbaum im tiefen Wald des Königreichs zu besuchen.
Während des Hochwinters bat er seinen ältesten Sohn, den Baum zu besuchen und eine Beschreibung des Baumes zu geben. Der Prinz kam zurück und berichtete, dass der Baum unfruchtbar, alt und hoffnungslos sei. Nicht einmal Vögel kämen in die Nähe des Baumes. Er sehe nutzlos aus und vielleicht sei es besser, ihn zu fällen und das Holz zu verwenden, bevor es verrotte.
In der Mitte des Frühlings bat der König seinen zweiten Sohn, den Baum zu besuchen und zu beschreiben. Der Prinz kam zurück und berichtete, dass der Baum nicht unfruchtbar sei, sondern voller schöner Kirschblüten stecke und jung und vielversprechend aussehe. Der Baum sei von Schmetterlingen und Bienen umgeben, die sich an seinen Blüten erfreuten.
Dann, im Sommer, schickte der König seinen dritten Sohn, um den Baum zu sehen und mit einer Beschreibung zurückzukommen. Als der Prinz zurückkam, erzählte er, dass der Baum keine Blüten habe, sondern voller köstlicher Kirschen sei und reif und wertvoll aussehe. Viele Vögel lebten auf dem Baum und ließen sich die Früchte schmecken.
Schließlich bat der König im Herbst seinen jüngsten Sohn, den Baum zu besuchen und eine Beschreibung des Baumes mitzubringen. Der Prinz kehrte zurück und berichtete, dass der Baum jetzt weder Früchte noch Blüten habe, wie es seine Brüder beschrieben hätten. Er sehe aber wunderschön aus mit seinen bunten Blättern in schönen Gold-, Rot- und Orange-Tönen – wie ein Motiv für ein Gemälde.
Dann fragte der weise König seine Söhne: „Was habt ihr aus dieser Erfahrung gelernt?“ Die ersten drei Prinzen waren noch am Überlegen, als der jüngste Sohn seine Erkenntnisse mitteilte:
Wie der Baum erleben auch wir verschiedene Jahreszeiten im Leben und werden von ihnen beeinflusst. Wir sollten unser Leben nicht nur nach der aktuellen Jahreszeit beurteilen. Jede Jahreszeit hat einen Sinn. Und egal, was die aktuelle Saison ist: Sie wird sich wieder ändern.
Guter Gott, wir können die Jahreszeiten unseres Lebens nicht ändern. Aber wir können uns selbst ändern! Auf die Jahreszeiten haben wir keinen Einfluss – aber auf unser Handeln als Menschen und als Christen.
Amen.