von Pfarrer Christoph Scieszka
Lk 17,11-19
Es geschah auf dem Weg nach Jerusalem:
Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samárien und Galiläa.
Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern!
Und es geschah: Während sie hingingen, wurden sie rein.
Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war;
und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samaríter.
Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
Liebe Gemeinde!
„Not lehrt beten“, sagt der christliche Volksmund. Dann müsste es doch eigentlich auch heißen: „Hilfe lehrt danken“. Dann müsste es doch eigentlich auch so sein, dass das, was auf das Gebet in Not folgt, die Not-Lösung, die Hilfe von Gott her, ins Dankgebet führt.
Aber mit dem Danken ist das so eine Sache. Wenn die Not erst mal behoben ist, dann ist der Geber hinter den guten Gaben schnell wieder vergessen, dann gerät auch die Dankbarkeit rasch in Vergessenheit.
Nach einem heidnischen Märchen hatten die Götter einmal alle menschlichen Eigenschaften, alle Tugenden zu einem Fest eingeladen. Da erschienen die „Treue“ und der „Fleiß“. Die „Sorgfalt“ war gekommen. Auch „Geduld“ und „Güte“ waren zugegen, nicht zu vergessen die „Sparsamkeit“ und wie sie alle heißen. Da alle alte Bekannte waren, kamen sie bald in ein munteres Gespräch. Nur zwei schienen miteinander nichts anfangen zu können. Offenbar kannten sie einander gar nicht. So nahm sich einer der Götter dieser beiden an, um sie gegenseitig vorzustellen: die „Hilfsbereitschaft“ und die „Dankbarkeit“. Beide waren höchst erstaunt, weil sie sich seit Beginn der Schöpfung noch nie begegnet waren.
Liebe Gemeinde, dieses Märchen will überspitzt deutlich machen, dass Hilfe und Dank unter uns Menschen oft genug nicht wirklich zusammen oder aber jedenfalls gerne zu kurz kommen; dass wir nach erfahrener Hilfe allzu oft rasch zur Tagesordnung übergehen, anstatt uns ausgiebig beim herzlichen Dank aufzuhalten – vor allem Gott gegenüber, wenn er unser „Gebet in Not“ erhört hat.
Dass Hilfe und Dank oft genug nicht wirklich zusammenkommen, diese Lebenserfahrung hat auch Jesus gemacht. Unser heutiges Evangelium berichtet davon. Da heilt Jesus zehn Aussätzige – Leprakranke, die durch ihre Krankheit ausgestoßen waren aus der Gesellschaft – solche, um die man einen großen Bogen machte, weil man hinter ihrem Aussatz als Ursache große Verfehlungen und Schuld vermutete und Angst vor der Ansteckung hatte.
Zehn von solchen heilt Jesus. Er tut das auf ihre Bitte hin. So hatten sie ihm zugerufen: „Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser“. Ihre Not hatte sie so zu beten gelehrt. Sie wussten, wenn überhaupt einer, dann kann dieser uns helfen – dieser Jesus von Nazareth. Und tatsächlich erbarmt sich Jesus ihrer, und er macht sie gesund.
Und dann ist von zehnen gerade mal einer, der – nachdem die Heilung eingetreten ist – sich noch mal auf die Socken macht zurück zu Jesus, um ihm zu danken. Bei diesem einen sind Hilfe und Dank – Jesu Heilung und menschliches Lobgebet zusammengekommen. Enttäuscht fragt Jesus: „Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben?“
Liebe Gemeinde, Jesus will hier nicht Lobeshymnen und Dankesworte herausfordern, Komplimente einheimsen, weil das seiner persönlichen Eitelkeit gut täte. Jesus wirbt für das Danken, weil er weiß: Danken heißt, begreifen, woher mir Hilfe und alles Gute kommt; Danken heißt bekennen: „Meine Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“; Danken heißt „Gott die Ehre geben“, denn er hat alles wohl gemacht! ER hat – und nicht wir selbst.