von Monika Tenambergen
Evangelium Lk 24, 35–48
35 Die beiden Jünger, die von Emmaus zurückgekehrt waren, erzählten den Elf und die mit ihnen versammelt waren, was sie unterwegs erlebt und wie sie Jesus erkannt hatten, als er das Brot brach.
36Während sie noch darüber redeten, trat er selbst in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
37Sie erschraken und hatten große Angst, denn sie meinten, einen Geist zu sehen.
38Da sagte er zu ihnen: Was seid ihr so bestürzt?
Warum lasst ihr in eurem Herzen Zweifel aufkommen?
39Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst.
Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht.
40Bei diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und Füße.
41Als sie es aber vor Freude immer noch nicht glauben konnten und sich verwunderten, sagte er zu ihnen: Habt ihr etwas zu essen hier?
42Sie gaben ihm ein Stück gebratenen Fisch;
43er nahm es und aß es vor ihren Augen.
44Dann sagte er zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht.
45Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften.
46Er sagte zu ihnen: So steht es geschrieben: Der Christus wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen
47und in seinem Namen wird man allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden.
48Angefangen in Jerusalem, seid ihr Zeugen dafür.
Predigt
Stellen Sie sich vor, Sie wären vor 2000 Jahren einer der Jünger oder eine der Jüngerinnen gewesen, die dabei waren, als Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Mit Ihren eigenen Ohren hätten Sie die Hammerschläge gehört, die die Nägel in seine Hände und Füße trieben, mit Ihren eigenen Ohren hätten Sie den Todesschrei Jesu gehört „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, mit Ihren eigenen Augen hätten Sie gesehen, wie er seinen letzten Atemzug tat, mit Ihren eigenen Augen hätten Sie gesehen, wie der Leichnam vom Kreuz genommen und ins Grab gelegt wurde und – Sie hätten noch nichts von der Auferstehung gewusst. Es ist einfach alles zu Ende. Nur noch Dunkelheit und keine Hoffnung. Dazu die Angst, selbst ein Verfolgter, eine Verfolgte zu werden und einem ähnlichen Schicksal ausgeliefert zu sein. Tiefste Verzweiflung und Verunsicherung.
Und dann überschlagen sich die Ereignisse nur wenige Stunden nach dieser emotionalen und existenziellen Erschütterung.
Nach der Erzählung des Evangelisten Lukas geschehen an nur einem einzigen Tag verschiedenste schier unglaubliche Vorfälle: Früh am Morgen die Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen, die den Leichnam des Geschundenen salben wollen; fast zeitgleich die sonderbare Erfahrung der Jünger auf dem Weg nach Emmaus mit dem Fremden, der sich ihnen unterwegs anschloss und sich beim Brotbrechen zu erkennen gibt; ebenso wird von einer Erscheinung Jesu vor Petrus berichtet und nun auch noch zu guter Letzt dies: Am Abend dieses Tages sind die Jünger versammelt, noch in heller Aufregung über alles, was passiert ist, hin und her gerissen zwischen Trauer, Wut, Verzweiflung und dieser unvorstellbaren Tatsache, dass Jesus angeblich leben soll.
Plötzlich kommt er hinzu – aus dem Nichts – auf einmal ist er da. Verständlich, dass sie es mit der Angst zu tun bekommen und zweifeln an dem, was sie da gerade mit ihren eigenen Augen zu sehen bekommen. Und obwohl sie mit eigenen Augen sehen, heißt es noch nicht, dass sie auch verstehen, was sie sehen, denn „sie meinten einen Geist zu sehen“ (Lk 24, 37).
Wen wundert das? Schließlich geht es bei den Auferstehungsberichten um die Erfahrung einer anderen Dimension der Wirklichkeit. Karl Rahner sagt es so: „In der Auferstehung Jesu von den Toten greifen die göttliche und die menschliche Wirklichkeit ineinander. Die Auferstehung Jesu ist ein Geschehen, das Raum und Zeit sprengt – und gerade deswegen in raumzeitlichen (d. h. menschlichen) Kategorien nicht greifbar ist.“ [1]
Die Jünger hatten miterlebt, wie Jesus Tote zum Leben erweckte, aber hier muss es um etwas Neues, etwas ganz anderes gehen, um etwas, das noch kein Mensch erfahren hatte.
Papst Benedikt schreibt in seinem Buch „Jesus von Nazareth“: Wenn es sich bei der Auferstehung Jesu nur um das Mirakel einer wiederbelebten Leiche handeln würde, ginge sie uns letztlich nichts an. Dann wäre sie nicht wichtiger, als die Wiederbelebung klinisch Toter durch die Kunst der Ärzte. An der Welt als solcher und an unserer Existenz hätte sich nichts geändert. (…) Doch die Auferstehung Jesu ist nicht ein Einzelereignis, das wir auf sich beruhen lassen könnten und das nur der Vergangenheit zugehörte. (…) In Jesu Auferstehung ist eine neue Möglichkeit des Menschseins erreicht, die alle angeht und Zukunft, eine neue Art von Zukunft, für die Menschen eröffnet. [2]
Um dies zu verstehen brauchen die Jünger „Nachhilfe“ für ihren Glauben, damit sie ihre Zweifel überwinden, die Realität der Auferstehung verstehen und in eine neue Beziehung zu Jesus kommen können.
Er zeigt ihnen seine Wunden, die ihn als den identifizieren, der am Kreuz gehangen hat und dessen Tod sie so niedergeschlagen und verzweifelt zurückgelassen hat. Dann zeigt er ihnen seine leibhaftige Gegenwart, indem er um etwas zu essen bittet. Er ist kein Geist, sondern er ist real, wie auch immer wir uns das vorstellen können. Matija Vudjan zitiert auf seiner Website „durchgedacht“ eine Definition der Leiblichkeit von Karl Rahner: Leiblichkeit‘ ist zunächst einfach als Raumzeitlichkeit verstanden. Der Mensch ist also welthafter, d. h. ein Hier und Jetzt in dem einen Zeit-Raum und selbst ein [sic!] Raum-Zeit habender Geist“ (Rahner 1961, 313). Wenn wir also von Jesus sagen, dass er leiblich auferstanden ist, dann heißt das zunächst einmal nichts anderes, als dass er auch nach seiner Auferstehung in Raum und Zeit präsent gewesen ist. [3] Mit dieser Definition kann ich ganz gut leben.
Diese Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen führt sie ins Staunen und Freude kommt auf, aber verstehen tun sie noch immer nicht. Neben der emotionalen Erfahrung mit Jesus braucht es auch noch die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Glauben. Wie den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus, erklärt er auch ihnen die Schrift, alles was bei den Propheten und in den Psalmen geschrieben steht und das sich jetzt mit Jesu Auferstehung erfüllt.
Die persönliche Erfahrung mit dem Auferstandenen und das Verständnis der Geschichte Gottes mit der Menschheit führen zum Glauben und befähigen die Jünger dazu Zeugen des Glaubens zu werden. Was ihnen dazu noch fehlt ist die Geistsendung, aber auch die lässt nicht mehr lange auf sich warten. „Ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden. Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet.“ (Lk 24,49)
Von Ostern bis Pfingsten sind es 50 Tage. Kein anderes kirchliches Fest wird so lange und ausgiebig gefeiert. Jeder Tag hat das Potential das Staunen und den Zweifel in noch größere Freude zu verwandeln. Jeder Tag stellt uns die fundamentale Bedeutung der Auferstehung vor Augen. Ohne die Auferstehung Jesu wäre der christliche Glaube tot. „Dann war Jesus eine religiöse Persönlichkeit, die gescheitert ist; die auch in ihrem Scheitern groß bleibt, uns zum Nachdenken zwingen kann. Aber er bleibt dann im rein Menschlichen, und seine Autorität reicht so weit, wie uns seine Botschaft einsichtig ist. Er ist kein Maßstab mehr; Der Maßstab ist dann nur noch unser eigenes Urteil, das von seinem Erbe auswählt, was uns hilfreich erscheint. Und das bedeutet: Dann sind wir alleingelassen. Unser eigenes Urteil ist die letzte Instanz. Nur wenn Jesus auferstanden ist, ist wirklich Neues geschehen, das die Welt und die Situation des Menschen verändert. Dann wird er der Maßstab, auf den wir uns verlassen können. Denn dann hat Gott sich wirklich gezeigt. (…) Ob Jesus nur war oder ob er auch ist – das hängt an der Auferstehung.“ [4]
[1] https://durchgedacht.net/
[2] Josef Ratzinger, Jesus von Nazareth Bd. 2, Herder
[3] https://durchgedacht.net/
[4] Josef Ratzinger, Jesus von Nazareth Bd. 2, Herder