Predigt zum 5. Fastensonntag

von Pfr. Christoph Scieszka

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Evangelium: Johannes 12,20-33

In jener Zeit

20 gab es auch einige Griechen unter den Pilgern, die beim Paschafest in Jerusalem Gott anbeten wollten.

21 Diese traten an Philíppus heran, der aus Betsáida in Galiläa stammte, und baten ihn: Herr, wir möchten Jesus sehen.

22 Philíppus ging und sagte es Andreas; Andreas und Philíppus gingen und sagten es Jesus.

23 Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.

24 Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.

25 Wer sein Leben liebt, verliert es;  wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.

26 Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.

27 Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen.

28 Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn schon verherrlicht und werde ihn wieder verherrlichen.

29 Die Menge, die dabeistand und das hörte, sagte: Es hat gedonnert. Andere sagten: Ein Engel hat zu ihm geredet.

30 Jesus antwortete und sagte: Nicht mir galt diese Stimme, sondern euch.

31 Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden.

32 Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.

33 Das sagte er, um anzudeuten, auf welche Weise er sterben werde.

 

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder,

Jesus greift bei der Erklärung seines Leidens nicht zum ersten Mal auf ein Bild aus der Natur zurück und bietet es auch uns als Hilfe zum Verstehen des Leidens an. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.“ Bei dieser Metapher bedeutet das Sterben des Weizenkorns nicht Tod, sondern Verwandlung. Als Verwandlung bringt es neues Leben hervor. Nicht ohne Grund heißt es in der Präfation für die Verstorbenen:

„In dieser Welt bedrückt uns die Vergänglichkeit, der Tod. Doch das Leben wird uns nicht genommen, es wird gewandelt.“

Diese Botschaft begleitet alle Christen seit über 2.000 Jahren. Wir gehen von hier zum Vater, der uns liebevoll umfangen wird im Reich seiner Liebe. Wir glauben an das ewige Leben, weil uns jetzt schon eine Liebe erfüllt, die der Tod nicht löschen kann. Über den Tod hinaus sind wir mit unseren Lieben verbunden.

Wenn wir Leiden in unserem Leben erfahren, bedeutet dies immer einen schmerzhaften Einschnitt. Meist verändert es Gewohnheiten und Abläufe. Wir unternehmen alles Mögliche – Rationales und Irrationales –, um Leid abzuwenden oder wenigstens erträglich zu machen. Es konfrontiert uns nicht nur mit der Frage nach dem Sinn des Leidens, sondern mit der Frage nach dem Sinn des Lebens grundsätzlich. Es verändert auch unsere Beziehungen. Schließlich stellt es uns vor die Frage, ob es noch einen Sinn gibt, wenn wir das jetzige Leben ganz loslassen müssen. Gibt es größere Zusammenhänge, die für uns bedeutsamer sind, als wir bis dahin angenommen haben?

Die beiden letzten Wochen der Fastenzeit werden in der Liturgie der Kirche als Passionszeit begangen. Wir schauen auf den Leidensweg Jesu und meditieren, was dieser Weg für die ganze Menschheit bedeutet – und was wir daraus für unser eigenes Leben und für das Leid, das früher oder später keinem Menschen erspart bleibt, entnehmen können. Diese Passionszeit endet aber mit der hoffnungsvollen Botschaft, dass wir zum Leben auferstehen und für uns eine neue Wohnung beim barmherzigen Gott vorbereitet ist!

In diesen Tagen sind – so meine ich – Worte hilfreich, die uns in die Tiefe des Gebets und der Hinwendung zu Gott führen wollen. Ein solches Gebet stammt vom Seelsorger und geistlichen Autor Alfons Gerhardt (1948 – 2012). Es ist so bewegend, weil es unsere Mühe, die wir fühlen mögen, so klar aufnimmt und uns dafür sofort etwas anderes aus seiner liebenden Hand entgegenstreckt. Der Text lautet:

Jesus, Heiland, Freund und Bruder,
ich lege meine Angst – in dein Vertrauen.
Ich lege meine Wunden – in deine heilenden Hände.
Ich lege meine Scham – in dein Verstehen.
Ich lege meine Schuld – in dein Erbarmen.
Ich lege meine Sehnsucht – in deinen Traum vom Leben.
Ich lege meine Grenzen – in deinen Blick voll Liebe.
Ich lege meine Unsicherheit – in deinen festen Schritt.
Ich lege meine Masken – in deine Ehrlichkeit.
Ich lege meine Unruhe – in deine Stille.

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