von Judith Zehrer
Lesung: Jesaja 9, 1-6
1 Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschattens wohnten, strahlte ein Licht auf.
2 Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird.
3 Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock seines Antreibers zerbrachst du wie am Tag von Mídian.
4 Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers.
5 Denn ein Kind wurde uns geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft wurde auf seine Schulter gelegt. Man rief seinen Namen aus: Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens.
6 Die große Herrschaft und der Frieden sind ohne Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit, von jetzt an bis in Ewigkeit. Der Eifer des Herrn der Heerscharen wird das vollbringen.
Evangelium: Lukas 2, 1-14
1 Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augústus den Befehl erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen.
2 Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirínius Statthalter von Syrien.
3 Da ging jeder in seine Stadt, um sich eintragen zu lassen.
4 So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiläa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt; denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids.
5 Er wollte sich eintragen lassen mit Maria, seiner Verlobten, die ein Kind erwartete.
6 Es geschah, als sie dort waren, da erfüllten sich die Tage, dass sie gebären sollte,
7 und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.
8 In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde.
9 Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr.
10 Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll:
11 Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.
12 Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
13 Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.
Geistlicher Impuls
Es ist jedes Jahr das Gleiche. Ich nehme mir vor, die Adventszeit wirklich bewusst zu erfahren und mich auf die Ankunft des Herrn zu freuen. Es gelingt mir selten. Es ist so viel, das in der Vorbereitungszeit getan werden muss. Geschenke basteln und besorgen, Weihnachtsfeiern feiern, das Haus schmücken, Adventskalender bestücken, … Und jedes Jahr ist die Enttäuschung groß, dass nicht so richtig Freude aufkommen will. Das ein oder andere Mal habe ich mich wirklich gefragt, ob nur Kinder sich auf Weihnachten freuen können. Ob ich es mit meinem erwachsenen Kopf vielleicht verlernt habe.
Ein Satz, den ich zu Beginn dieser Adventszeit in einer Predigt hörte, hat mir dieses Jahr tatsächlich geholfen. Die Adventszeit ist ein Sich-Öffnen hin auf das, was kommt. Was auch immer das ist. Ich muss mir nicht krampfhaft eine weihnachtliche Stimmung aufdrücken. Nein, ich darf warten und hoffen und nicht wissen, was da kommt. Ich darf mich öffnen und warten und hoffen!
Erwarte die Weihnachtsgeschichte! Auch wenn du sie nach all den Jahren vielleicht schon auswendig kennst, mache dich auf und lass dich von ihr neu berühren! Berühren von dem ewig Neuen.
„Fürchtet euch nicht, ich verkünde euch eine große Freude …“ (Lk 2,10).
Stell dir vor, der Engel kommt zu dir, umhüllt dich mit der Herrlichkeit des Herrn und spricht eben diese Sätze in dein Gesicht. Stell dir vor, der Herr befreit dich von deiner Angst und du kannst ganz du, ganz Mensch sein. Stell dir vor, egal, was dir je passiert ist, eine große Freude erfüllt dein Herz, ermächtigt sich deiner Traurigkeit und treibt auch die letzte Finsternis aus dir.
Stell dir vor, Gott kommt wirklich auf die Welt! Gott wird Mensch!
Es fängt eine neue Ära, eine neue Zeitrechnung an. Alles, was vorher war, gibt es nicht mehr. Jesaja schildert dies sehr eindrücklich. Mit diesem Kind kam das Licht in die Welt. Mit Jesus fangen wir ganz von vorne an. Er fängt mit dir ganz von vorne an. Dieses Zeitalter ist jetzt.
Ein Baby. So wundervoll. So neu. So unschuldig. So verletzlich. So hilflos. So bedürftig. So abhängig. So begegnet uns Jesus. So zeigt er uns Gott. So zeigt er uns uns selbst. Wir sind verletzlich, hilflos, bedürftig und abhängig. Und das ist gut so. Wir dürfen so sein.
Gott ist verletzlich. Gott ist hilflos. Gott ist bedürftig. Gott ist abhängig. Er braucht uns. In dieser Zartheit liegt die größte und stärkste Kraft, die es auf der Welt gibt: die Liebe. Die Liebe ist ein Wunder, das wir nicht begreifen können, das uns allen aber in die Wiege gelegt wurde. Jedem Menschen, ausnahmslos.
Feiere Weihnachten, feiere die Geburt Jesu, frei und ohne Angst! Lass die Freude in dein Herz! Und öffne dich Gott im anderen! Betrachte den anderen und sieh seine Verletzlichkeit, seine Hilflosigkeit, seine Bedürftigkeit, seine Abhängigkeit. Betrachte ihn in Ehrfurcht und Achtung. Sieh das Wunder. Sieh diese unendliche Stärke.
Dann wird Liebe dein Herz erfüllen, unendliche Liebe. Dann wird ein neues Zeitalter anbrechen. Dann wird seine große Herrschaft und der Frieden kein Ende haben.