Impuls zum 20. Sonntag im Jahreskreis B

von Gemeindereferentin Marita Kremper

Foto: Pixabay

 

Evangelium: Johannes 6,51-58

51 Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.

52 Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?

53 Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.

54 Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Jüngsten Tag.

55 Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank.

56 Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.

57 Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben.

58 Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Es ist nicht wie das Brot, das die Väter gegessen haben, sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.

 

Impuls

Seit einigen Sonntagen, genau seit dem 17. Sonntag im Jahreskreis, wird das Lesen des Markus-Evangeliums unterbrochen. Wir hören in fünf aufeinander folgenden Textpassagen die Worte des 6. Kapitels im Johannes-Evangelium. Darin enthalten ist die Brotvermehrung, genannt „Die Speisung der 5000“, dann der Bericht vom Seesturm und im Anschluss die sogenannte Brotrede. Der Evangelist Johannes macht in diesem 6. Kapitel deutlich, wer Jesus ist und welche Bedeutung dieser Jesus für uns haben kann.

Im heutigen Abschnitt der Brotrede, dem 4. Abschnitt in Folge, spricht Jesus zu seinen Jüngern und den Menschen, die um ihn herumstehen. In dieser Brotrede wiederholt Jesus dreimal, dass er das lebendige Brot sei, das Brot des Lebens, das vom Himmel herabgekommen sei. Auf mich wirkt es, als nutze Jesus das Ereignis der Brotvermehrung, um in dieser anschließenden Rede seine Sendung und seinen Auftrag unverhüllt zu verkünden.

Für uns, die wir diese Worte schon oft gehört haben und manchmal vielleicht auch schon darüber hinweghören, klingt Jesu Rede nicht neu und ungewöhnlich. Für die damaligen Zuhörer*innen, unter denen auch gläubige Juden waren, ist diese Rede eine einzige Provokation. So heißt es in der Textstelle vom vergangenen Sonntag: „Da murrten die Juden gegen ihn, weil er gesagt hatte: Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Und sie sagten: Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie kann er jetzt sagen: Ich bin vom Himmel herabgekommen?“[1] Und sehr nachvollziehbar fragen sie: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“[2] Wenn ich mich selbst unwissend stelle, als hörte ich diese Worte zum ersten Mal, dann hört sich das wirklich komisch an, auch für heutige Ohren. Wie kann jemand von sich sagen, er würde sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken geben? Ist das nicht Kannibalismus?[3]

Ich kann die Irritation der Zuhörer*innen verstehen. Das ist eine ziemliche Herausforderung für die damaligen und auch die heutigen Menschen, nicht nur für die Juden. Die Reaktionen der Leute sind entsprechend fragend bis ablehnend. Davon werden wir dann am kommenden Sonntag mehr hören.

Hinzu kommt meines Erachtens eine zweite Irritation: Jesus bezieht sich in seiner heutigen Rede nicht nur auf die Brotsendung im Buch Exodus, die wir am Sonntag vor zwei Wochen gehört haben. Die Israeliten hatten vom Manna gegessen und waren satt geworden. Jesus setzt sein Fleisch mit dem Brot gleich, das er gibt und das er selbst ist. Das zu verstehen ist eine weitere Herausforderung.

Wie ist das alles zu deuten? Auch ich habe keine eindeutige Antwort. Franz Kamphaus deutet es so, dass Jesus Brot und Wein wählt, um sich selbst mitzuteilen. Er selbst – so Kamphaus – sei die Speise für unser ausgehungertes Dasein.[4] Bei Klaus Berger,[5] einem evangelischen Theologen, lese ich, was ich selbst früher schon praktiziert habe: Ich „kaue“ die Worte, die mich beschäftigen, bis ich von „oben“ oder „innen“ eine Antwort bekomme. Das kann manchmal lange dauern …

Für mich hat es mit Jesus und seiner Sendung zu tun. In der Erzählung von der Brotvermehrung zu Anfang des 6. Kapitels geht es um den konkreten Bedarf an Brot, an Nahrung, den die Menschen brauchen, die Jesus zugehört haben. Auf dieses Bedürfnis geht Jesus ganz konkret ein und verteilt fünf Brote und zwei Fische an 5000 Menschen. Am Ende bleiben zwölf Körbe übrig.[6] Dieses Brotwunder nutzt Jesus sodann, um über etwas ganz anderes, viel Wichtigeres zu sprechen: Es geht ihm um die „innere“ Speise. Jesus benutzt das Bildwort „Brot“, um über eine viel tiefere Ebene zu sprechen. Diese tiefere Ebene ist die „göttliche“ Ebene, aus der Jesus kommt, die auch in uns lebt und um die Jesus weiß. Und Jesus weiß um unsere „Unterversorgung“, unseren Hunger nach Leben. Wer sich auf seine Verheißung von Leben einlässt, wer ihm glaubt und ihm folgt, wird das erfahren.

Für mich ist Jesus das Brot, das meinen Hunger stillt, das Wasser, das mir Leben gibt und der Wein, der mich im Innersten tränkt. Jesus kann meine Sehnsucht nach Leben erfüllen. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.

In dem bekannten lateinischen Hymnus Panis Angelicus[7] aus dem 13. Jahrhundert heißt es: „Engelsbrot wird zum Brot der Menschen. Das himmlische Brot gibt den Gestalten (Brot/Wein sind gemeint) ein Ziel: Oh wunderbares Geschehen! Es isst den Herrn der arme und demütige Knecht.“[8] Dieser Hymnus wurde mehrfach vertont, u.a. von César Franck. Wenn Sie mögen, können Sie die Musik – gesungen von Elina Garanca und dirigiert von Christoph Eschenbach – hier bei YouTube nachhören.

[1] Joh 6,42

[2] Joh 6,52

[3] Franz Kamphaus, Der unbekannte aus Nazareth, Patmos 2023, S. 211

[4] ebd. S. 212

[5] Klaus Berger, Jesus, Pattloch, S. 29

[6] Joh 6,13

[7] Panis angelicus ist der Anfang der vorletzten Strophe des Hymnus Sacris solemniis. Er wurde 1264 anlässlich der Einführung des Hochfestes Fronleichnam durch Papst Urban IV. von Thomas von Aquin für die Matutin des Stundengebets verfasst.

[8] Der lateinische Originaltext lautet: Panis Angelicus fit panis hominum dat panis coelicus figuris terminum: O res mirabilis! Manducat dominum pauper, servus et humilis.

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