von Pastor Stefan Krinke
Evangelium: Matthäus 3, 1-12
In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete in der Wüste von Judäa: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe. Er war es, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat: Stimme eines Rufers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen!
Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften; Heuschrecken und wilder Honig waren seine Nahrung. Die Leute von Jerusalem und ganz Judäa und aus der ganzen Jordangegend zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen.
Als Johannes sah, dass viele Pharisäer und Sadduzäer zur Taufe kamen, sagte er zu ihnen: Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen dem Abraham Kinder erwecken. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.
Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist stärker als ich und ich bin es nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand; und er wird seine Tenne reinigen und den Weizen in seine Scheune sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
Predigt: Immer das Gleiche
Am ersten Sonntag nach seiner Einführung hielt der neue Pastor eine zündende Predigt, von der alle begeistert waren. Am Sonntag darauf waren die Leute schon sehr gespannt; aber der Pastor hielt die gleiche Predigt wie am Sonntag vorher. Ebenso am dritten, vierten und fünften Sonntag. Schließlich platzte einem Zuhörer der Kragen: „Warum predigen Sie immer das Gleiche?“ Seine Antwort lautete: „Warum lebt Ihr genauso wie vor sechs Wochen? Wenn Ihr das in die Tat umsetzt, was ich bisher gesagt habe, dann sage ich Euch was Neues!“ [aus: Willy Hoffsümmer, Kurzgeschichten 3, Mainz 1990, 4. Auflage, Seite 59]
Zur Adventszeit gehört immer auch der Ruf Johannes des Täufers: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ In der Version des Matthäus klingt dieser Ruf, verbunden mit den Drohungen gegen die Sadduzäer und Pharisäer, besonders hart. Johannes spricht mit aller Nachdrücklichkeit und, um es zeitlich einzuordnen, nicht vor der Geburt Jesu, sondern vor dessen öffentlichem Auftreten.
Hätte man damals Leute in Jerusalem gefragt: „Kennst Du Jesus von Nazareth?“, hätten wohl viele gesagt: „Nein, nie gehört.“ „Und Johannes den Täufer?“ „Ja klar, dass ist doch der Prediger, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der so komisch daher läuft und uns an den Propheten Elija erinnert und Worte des Propheten Jesaja lebendig werden lässt. Ja, den kenne ich!“
Es ist schon eigenartig: Der Sohn Gottes, der „Gott-Mit-Uns“, dieser Jesus, er ist nicht bekannt bei vielen. Warum? Ist seine Botschaft zu zahm? Läuft er zu normal durch die Gegend? Brauchten die Menschen damals und wir heute den Schock, den „Aufrüttel-Effekt“, um wach zu werden für das Entscheidende in unserem Leben? Das jedenfalls verkündet Johannes. Jahr für Jahr hält er uns diese Predigt. Und nichts anderes kann ich Ihnen heute verkünden: Das Himmelreich, das Reich Gottes ist da! Mit Jesus ist Gott bis heute verborgen gegenwärtig! Er lebt mit Dir, er schaut dich an! Erwidere seinen Blick! Lebe mit ihm als Begleiter, bekenne Dich zu ihm!
Vor jedem Evangelium ruft der Diakon oder Priester der versammelten Gemeinde zu: „Dominus vobiscum!“ Das heißt korrekt übersetzt: „Der Herr ist mit Euch!“ Leider hören wir meistens: „Der Herr sei mit Euch!“ Uns wird damit der Herr zugesprochen! Es ist kein Wunsch, sondern Tatsache. Gott, der „Ich-Bin-Da“, lebt mit dir! Er sagt sich einem jeden Menschen zu. Das hat ein Johannes wohl in seiner ganzen Tiefe erkannt. Deshalb lässt Matthäus ihn auch so drastische Worte finden gegenüber denen, die das eigentlich wissen müssten und doch auf ganz anderes achten.
Wenn sich also die Verheißung längst erfüllt hat, dann brauchen wir eigentlich nur noch ernst machen. In manchen Kirchen stehen bereits Weihnachtskrippen, meist unvollständig. In einer sah ich nur eine einzige Figur, die des Johannes. Mögen uns seine mahnenden Worte auf dem Weg zum Weihnachtsfest erreichen, wachrütteln und anregen, schon jetzt ehrlichen Herzens mit dem zu leben, der mir sagt: „Ich bin mit dir.“