Als im September dieses Jahres die Queen verstarb, konnte man meinen, es war Elizabeth II, die die Welt regierte. Ich war tief beeindruckt von der tagelangen Prozession, in der die Menschen aus aller Herren Länder ihr am aufgebahrten Sarg in aller Stille die letzte Ehre erwiesen.
Noch beeindruckender fand ich aber eine Erwähnung des Erzbischofs von Canterbury Justin Welby in seiner Traueransprache am Tag ihrer Beisetzung. Er erinnerte an die Zeremonie ihrer Krönung, bei der sie auf den Stufen des Hochaltars von Westminster Abbey im stillen und privaten Gebet Christus versprach, ihm ihr Leben lang zu dienen und ihm nachzufolgen.
Schon in ihrer ersten Weihnachtsansprache im Jahr 1952, ein halbes Jahr vor ihrer Krönung, bat sie: I want to ask you all, whatever your religion may be, to pray for me on that day, to pray that God may give me wisdom and strength to carry out the solemn promises I shall be making, and that I may faithfully serve Him and you, all the days of my life. (Ich möchte Sie alle bitten, gleich welcher Religion Sie angehören, an diesem Tag für mich zu beten, dass Gott mir Weisheit und Kraft geben möge, um die feierlichen Versprechen zu erfüllen, die ich geben werde, und dass ich Ihm und Ihnen treu dienen möge, alle Tage meines Lebens.)
Elizabeths Regentschaft hatte ihr Fundament im Dienst für Christus und davon hat sie immer wieder öffentlich Zeugnis gegeben. Zu ihrem 90. Geburtstag wurde ein Büchlein mit dem Titel „The Servant Queen and the King she serves“ veröffentlicht.
Im Jahr 2011 sprach sie von der Kraft der Vergebung: „Although we are capable of great acts of kindness, history teaches us, that we sometimes need saving from ourselves, from our recklessness or our greed. God sent into the world a unique person, neither a philosopher nor a general – important though they are – but a savior with the power to forgive. Forgiveness lies at the heart of the Christian faith. It can heal broken families, it can restore friendships and it can reconcile divided communities. It is in forgiveness that we feel the power of God’s love.“ (Obwohl wir Menschen zu großen Taten der Freundlichkeit fähig sind, lehrt uns die Geschichte, dass wir manchmal vor uns selbst gerettet werden müssen, vor unserer Rücksichtslosigkeit oder unserer Gier. Gott hat eine einzigartige Person in die Welt geschickt, weder einen Philosophen noch einen General – so wichtig sie auch sind – sondern einen Retter mit der Macht, zu vergeben. Vergebung ist das Herzstück des christlichen Glaubens. Sie kann zerbrochene Familien heilen, sie kann Freundschaften wiederherstellen und Gemeinschaften versöhnen. In der Vergebung spüren wir die Kraft der Liebe Gottes.)
Man kann sich fragen, wozu es weltliche Königshäuser mit all dem Reichtum und Glamour mit Krone und Zepter in der heutigen Zeit überhaupt noch gibt. Und ganz abgesehen vom fragwürdigen monarchischen Prunk und Pomp, gibt es noch immer Beispiele machtgieriger und zerstörerischer Herrscher mehr als genug, die wir erst recht nicht brauchen. Wir erleben das gerade mitten in Europa. Umso mehr imponiert mir eine Königin, aber auch jede andere Führungspersönlichkeit in der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft, die aus der Kraft des Glaubens an Jesus Christus lebt und ihm in seinem revolutionären Führungsstil folgt, nämlich in der Haltung des Dienens: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ (Mt 23,11)
Wir feiern an diesem Sonntag das Christkönigsfest. Die Lesungstexte stellen uns einen König vor Augen, dessen Thron nicht aus Gold und mit Edelsteinen besetzt ist, sondern im Marterpfahl des Kreuzes besteht. Über ihm hängt in höhnischer Verachtung die Tafel „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Wenige Stunden zuvor hatten die damaligen Machthaber dieser Welt ihn zum „Spottkönig“ gemacht, nachdem er vor Pilatus bekräftigt hatte, er sei ein König, aber sein Reich sei nicht von dieser Welt. In dieser absoluten Erniedrigung wird deutlich: Christi Königsmacht wird nicht sichtbar durch weltliche Insignien. Sein Königreich ist ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens. Wahrhaftigkeit, Sanftmütigkeit, Barmherzigkeit und Vergebung sind die Insignien seines Reiches. Seine Herrschaft heißt Dienen und seine Macht ist die Liebe. Wenn wir durch die Taufe Anteil an Christi Königtum erhalten haben, so bedeutet das nicht, eine goldene Krone auf dem Kopf zu tragen, sondern es bedeutet, in Treue seinen Weg mitzugehen und selbst Wahrhaftigkeit, Sanftmütigkeit, Barmherzigkeit und Vergebung zu leben. Und es bedeutet bescheiden und demütig zu bleiben. Darin liegt die wahre Königswürde der Getauften.
Als bei der Beerdigungszeremonie von Queen Elizabeth II die Krone, der Reichsapfel und das Zepter vom Sarg genommen und auf den Altar gelegt wurden, war das Ende ihrer weltlichen Regentschaft besiegelt. Der ewige König der Welt, als dessen Dienerin sie sich verstand, ist ein anderer.