„Und niemals dürfen wir vergessen,
man wird auch uns an Früchten messen“ (vgl. Lk 6,39-45)
von Pastor Stefan Krinke
Eigentlich wollte ich zu diesem „Karnevalssonntag“ die Büttenpredigt des im vergangenen Jahr verstorbenen Neutestamentler Prof. Claus-Peter März aus Erfurt abdrucken, die er zu einem 8. Sonntag im Jahreskreis (C) vor Jahren geschrieben hat. Dabei bezog er immer die biblischen Texte mit ein, machte sie zur Grundlage. Doch als am Donnerstagmorgen die Nachricht kam, dass Russland die Ukraine angegriffen hat, verging mir die Freude an den Schüttelversen. Ja, ich kann es immer noch nicht fassen, dass Putin seine Drohungen in die Tat umsetzt.
So machte ich mich auf die Suche nach dem Kalender, auf dessen Hülle noch der Aufkleber prangt „Schwerter zu Pflugscharen“ – und fand ihn. Dieser Aufkleber steht für mich als ein Zeichen des Engagements von Menschen weltweit, immer wieder die Friedensbotschaft zu leben und mit Leben zu füllen. Gespeist durch ein biblisches Wort aus dem Buch des Propheten Micha: „Er [der HERR] wird Recht schaffen zwischen vielen Völkern und mächtige Nationen zurechtweisen bis in die Ferne. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern. Sie erheben nicht mehr das Schwert, Nation gegen Nation, und sie erlernen nicht mehr den Krieg“ (Micha 4,3). Ich habe lange geglaubt, dass wir mit dem Fall des Eisernen Vorhangs einen großen Schritt hin auf die Erfüllung dieser Prophezeiung gemacht haben. Doch immer wieder schrecken mich Gewalt und Krieg auf und lassen mich zum Teil ratlos zurück.
Andere biblische Worte sprechen menschliches Fehlverhalten an, etwa im heutigen Evangelium. Solche Verhaltensweisen sind oftmals Grundlage für den Unfrieden im Kleinen. Im Bild vom Splitter, den ich im Auge des Bruders entdecke, obwohl mein eigenes Verhalten um Vieles schlimmer ist und ich keine guten Früchte hervorbringe, wird es mir im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt (Lk 6,41).
Ich erlebe derzeit eine große Enttäuschung und Wut innerhalb unserer Kirche. Sie war in der Vergangenheit in bestimmten Bereichen gewiss kein Bote des Friedens … Dazu entdecke ich auch Worte in der Büttenpredigt. Vielleicht bringen sie auf ihre Weise das ins gereimte Wort, was auch Sie bewegt?
„Die Kirchen sind heut nicht im Glück,
überall hört man Kritik.
Manchmal kann man Häme spüren,
die Lust, die Kirchen vorzuführen,
dass jene Mauern auch nicht halten,
die lang als unbezwingbar galten.
Doch ist nicht alles, was wir hören,
glatt über diesen Kamm zu scheren.
So manches muss man deutlich sagen,
und für nicht wen´ge steht die Frage,
ob denn die Kirche, die sie lieben,
dem Heute wirklich treu geblieben
und sich nicht doch dort etablierte,
wo Gegenwart sie nicht berührte.
Wo alles schön und sonnenklar
so blieb, wie es schon immer war.
Von vielen Seiten hört man sagen:
Wir müssen etwas Neues wagen,
neue Formen, neue Sprache,
dass die Welt vom Schlaf erwache.
Es wird uns wirklich wenig nutzen,
nur die Fassade aufzuputzen,
die Kirche neu zu renovieren
und weiter wie bisher agieren.
Nur Worte, die den Himmel preisen,
werd´n niemand mehr vom Stuhle reißen.
Die Menschen wollen etwas sehen,
was greifbar unter uns geschehen,
was uns, auch wenn´s auf Erden bleibt,
ein wenig schon den Himmel zeigt.
Das heisst: wir müssen uns bemüh´n
und heut schon Konsequenzen zieh´n:
Dass Gott uns trägt, wenn wir bekennen
und freudig seinen Namen nennen.
Und niemals dürfen wir vergessen:
Auch uns wird man an Früchten messen.
Wir haben einmal angenommen,
dass nun die Friedenszeit gekommen.
Der kalte Krieg, er ist vorbei,
die Welt von solchen Ängsten frei.
Und Ost steht nicht mehr gegen West,
wir feiern bald das Friedensfest.
Nur Frieden hat jetzt höchste Noten,
der Krieg wird demnächst ganz verboten.
Was hörte man für Worte klingen.
Wir glaubten schon, es müsst gelingen.
Doch zeigt sich: Weiter gibt es Streit,
man ist auch heut zum Krieg bereit.
Der Baum, der schlimme Früchte trägt,
ist lange noch nicht abgesägt.
Auch alte Wunden brechen auf
und das Verhängnis nimmt sein´n Lauf:
Schmerzlich haben wir gelernt,
wie weit man noch vom Ziel entfernt,
wenn man´s mit Worten nur beschwört
und sich im Tun um gar nichts schert.“
Textquelle: Claus-Peter März, Neue Büttenpredigten, St. Benno Verlag Leipzig 2005, S. 78-81