Impuls zum Fest Darstellung des Herrn

von Gemeindereferentin Monika Tenambergen

Foto: Monika Tenambergen

 

Evangelium: Lukas 2,22-40

22 Als sich für die Eltern Jesu die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen,

23 wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden.

24 Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.

25 Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm.

26 Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.

27 Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war,

28 nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten:

29 Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.

30 Denn meine Augen haben das Heil gesehen,

31 das du vor allen Völkern bereitet hast,

32 ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.

33 Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden.

34 Und Símeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, –

35 und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden.

36 Damals lebte auch Hanna, eine Prophetin, eine Tochter Pénuëls, aus dem Stamm Ascher. Sie war schon hochbetagt. Als junges Mädchen hatte sie geheiratet und sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt;

37 nun war sie eine Witwe von vierundachtzig Jahren. Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.

38 Zu derselben Stunde trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

39 Als seine Eltern alles getan hatten, was das Gesetz des Herrn vorschreibt, kehrten sie nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurück.

40 Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruhte auf ihm.

 

Impuls: Die Hoffnung nicht aufgeben!

Seit zwei Wochen fiebert eine ganze Nation jedem weiteren Tag entgegen, an dem Geiseln aus den Terror-Tunneln der Hamas freigelassen werden sollen. Wer steht auf der Liste der 33, die zuerst freikommen sollen? Wie geht es ihnen? Sind sie alle noch am Leben? Wer wird heute freigelassen und unter welchen Bedingungen? Werden sich alle Seiten an die Vereinbarungen halten? Was erwartet die Befreiten bei der „Übergabe“? Wird alles gut gehen, bis endlich die Familien wieder vereint sind und sich in die Arme schließen können?

Heute, am 31. Januar 2025, ist Tag 483 des Bangens, des Kämpfens, des Wartens und des Hoffens – jeder Tag eine Ewigkeit – jeder Tag eine unendliche Verlängerung von Tag 1, dem 7. Oktober 2023 – jeder Tag ein Tag, der danach verlangt, die Hoffnung nicht aufzugeben, bis jedes Kind, jede Frau, jeder Mann wieder zuhause ist. In diesen Tagen erleben wir, welche Kraft und Stärke die Hoffnung freisetzen kann. Hoffnung kann Leben retten.

Zwei Menschen mit einer unerschütterlichen Hoffnung begegnen uns auch am Fest Darstellung des Herrn: Simeon und Hanna, beide im hohen Alter und am Ende ihrer Tage angekommen. Ihre ganze Lebenszeit ist geprägt von Krieg, Zerstörung und Unterdrückung durch die römische Besatzungsmacht. Gewiss kann man sich irgendwie mit dieser Situation arrangieren. Aber das ist kein Leben im versprochenen Schalom![1]

In dieser deprimierenden und scheinbar aussichtslosen Situation empfängt Simeon von Gott die Verheißung, dass er noch zu Lebzeiten den lang ersehnten Messias, den Trost Israels, mit eigenen Augen sehen werde. Seit vielen Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten hofft und vertraut er nun auf die Erfüllung dieser Verheißung. So alt er auch geworden ist, er gibt seine Hoffnung nicht auf, seine Sehnsucht bleibt lebendig. Er ist kein rückwärtsgewandter Mensch, sondern einer mit offenem Geist und Blick in die Zukunft, einer, der auch im hohen Alter noch etwas vom Leben erwartet. Hoffnung ist das „Ja“ zum Leben.

Und Hanna erlebt in ihren jungen Jahren die Krise ihres Lebens, als sie nach nur sieben Ehejahren verwitwet – scheinbar ohne Nachkommen. In der damaligen Gesellschaft ist das eine Katastrophe für jede Frau. Soziologisch und juristisch ist sie eine „Null“, wenn sie nicht wiederverheiratet und in das Haus eines anderen Mannes aufgenommen wird.

Dennoch wird uns Hanna als Prophetin vorgestellt, die einzige im Neuen Testament! Ihr Name und ihre Herkunft scheinen das Programm ihres Lebens zu sein. Hanna bedeutet „die Begnadete“, d.h. sie lebt in einer unmittelbaren Beziehung zu Gott, ganz erfüllt von seinem Geist. Pénuël bedeutet „im Angesicht Gottes“ sein. Hanna, die Tochter Pénuëls, widmet ihr ganzes Leben Gott. So kann der Name verstanden werden und so wird er in der Bibel beschrieben: Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht. Ich füge jedoch noch eine weitere Interpretation hinzu: Im Angesicht Gottes sein, heißt auch: von Gott gesehen werden. Für einen Menschen, der gesellschaftlich nicht existent ist, ist das nicht nur ein Trost, sondern das Leben bekommt eine neue Perspektive, einen neuen Sinn. Im Angesicht Gottes entdeckt Hanna ihre eigentliche Berufung zur Prophetin! Was für eine positive Wendung in einem von der Gesellschaft abgeschriebenen Menschenleben! Ein begnadetes Leben im Angesicht Gottes verspricht „Ascher – Glück und Heil“ (Lk, 2,36).

Simeon und Hanna sind Hoffnungsmenschen. Ihr Leben lang haben sie die Hoffnung auf die Befreiung Israels nicht aufgegeben. Dennoch ist zu der Zeit, als Lukas sein Evangelium schreibt (ca. 80-90 n. Chr.), klar: Der Versuch, sich durch rebellische Aufstände von der Besatzungsmacht zu befreien, ist gescheitert, Jerusalem ist gefallen, der Tempel ist zerstört (70 n. Chr.). Ein zweites Mal haben die Israeliten ihr kulturelles und religiöses Zentrum verloren. Aus menschlicher Perspektive gab es keinen Grund zur Hoffnung mehr.

Aber mit Simeon und Hanna begegnen uns – nach Maria und Elisabeth – zwei weitere geisterfüllte Menschen an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter, das mit der Geburt Jesu Christi angebrochen ist. Mit diesem Zeitalter beginnt etwas vollkommen Neues. Alles wird auf den Kopf gestellt, es gelten neue Wertmaßstäbe: Die Herrschaft liegt nicht mehr bei den Mächtigen. Sie werden vom Thron gestürzt (Lk 1,52). Reichtum wird neu verteilt (Lk 1,53). Und die Verheißungen Gottes gelten allen Menschen, auch den Heiden (Lk 2,32). Frauen wie Maria, Elisabeth und Hanna tragen entscheidend zu dieser Zeitenwende bei.

Simeon und Hanna lernen eine neue Dimension der Hoffnung. Ihre Hoffnung richtet sich nicht mehr nur auf die Befreiung von der Besatzungsmacht, sondern darauf, dass Menschen befreit und erlöst leben können, weil das Reich Gottes angebrochen ist. Es wird nicht durch militärische Macht herbeigeführt, sondern es entwickelt sich leise und stetig, oft im Verborgenen, aber immer wirkungsvoll. „Das Reich Gottes verwirklicht sich immer dann, wenn sich Menschen auf die Jesus-Perspektive einlassen und in den Strukturen einer scheinbar ungerechten Welt bereits nach den Regeln der Gottesherrschaft leben und damit im Kleinen die eigene Welt Stück für Stück verändern.“[2]

Die eigene Welt Stück für Stück verändern heißt, sich selbst verändern zu lassen durch Gottes Geist. Die eigene Welt Stück für Stück verändern heißt, mit ganzem Herzen auf Gott ausgerichtet sein und nach seinem Willen zu leben. Das erfordert Mut, manchmal sogar das eigene Leben.

In diesem Jahr jährt sich am Fest Darstellung des Herrn der Hinrichtungstag des Jesuiten Pater Alfred Delp SJ zum 80. Mal: Am 2. Februar 1945 wurde er in Berlin-Plötzensee durch die Nationalsozialisten gehängt. Eingesperrt hinter Gefängnismauern wurde er ein innerlich freier Mann. Mit gefesselten Händen legte er im Gefängnis heimlich die ewigen Gelübde ab, mit gefesselten Händen schrieb er zahlreiche Briefe, Texte und Worte der Hoffnung:

Die Welt ist mehr als ihre Last
und das Leben mehr
als die Summe seiner grauen Tage.
Die goldenen Fäden
der echten Wirklichkeit
schlagen schon überall durch.
Lasst uns dies wissen und lasst uns
selbst tröstender Bote sein.
Durch den die Hoffnung wächst,
der ist ein Mensch selbst
der Hoffnung und der Verheißung.

[1] Schalom bedeutet Gesundheit, Wohlergehen, Frieden, Ruhe, Glück, Sicherheit, kurz: mit Schalom ist umfassendes Heil gemeint. Erläuterungen zum Begriff finden Sie hier.

[2] Zitiert aus: Bibel heute, 4. Quartal 2022, S. 17

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