von Gemeindereferentin Monika Tenambergen
Lesung: Ex 16,2-4.12-15 [16-30]
1 Die ganze Gemeinde der Israeliten brach von Elim auf und kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und dem Sinai liegt. Es war der fünfzehnte Tag des zweiten Monats nach ihrem Auszug aus Ägypten.
2 Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte in der Wüste gegen Mose und Aaron.
3 Die Israeliten sagten zu ihnen: Wären wir doch in Ägypten durch die Hand des Herrn gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten. Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen.
4 Da sprach der Herr zu Mose: Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk soll hinausgehen, um seinen täglichen Bedarf zu sammeln. Ich will es prüfen, ob es nach meiner Weisung lebt oder nicht.
12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sag ihnen: Am Abend werdet ihr Fleisch zu essen haben, am Morgen werdet ihr satt sein von Brot und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin.
13 Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager. Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager.
14 Als sich die Tauschicht gehoben hatte, lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif, auf der Erde.
15 Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Da sagte Mose zu ihnen: Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt.
[16 Das ordnet der Herr an: Sammelt davon so viel, wie jeder zum Essen braucht, ein Gomer je Kopf. Jeder darf so viel Gomer holen, wie Personen im Zelt sind.
17 Die Israeliten taten es und sammelten ein, der eine viel, der andere wenig.
18 Als sie die Gomer zählten, hatte keiner, der viel gesammelt hatte, zu viel und keiner, der wenig gesammelt hatte, zu wenig. Jeder hatte so viel gesammelt, wie er zum Essen brauchte.
19 Mose sagte zu ihnen: Davon darf bis zum Morgen niemand etwas übriglassen.
20 Doch sie hörten nicht auf Mose, sondern einige ließen etwas bis zum Morgen übrig. Aber es wurde wurmig und stank. Da geriet Mose in Zorn über sie.
21 Sie sammelten es Morgen für Morgen, jeder so viel, wie er zum Essen brauchte. Sobald die Sonnenhitze einsetzte, zerging es.
22 Am sechsten Tag sammelten sie die doppelte Menge Brot, zwei Gomer für jeden. Da kamen alle Sippenhäupter der Gemeinde und berichteten es Mose.
23 Er sagte zu ihnen: Es ist so, wie der Herr gesagt hat: Morgen ist Feiertag, heiliger Sabbat zur Ehre des Herrn. Backt, was ihr backen wollt, und kocht, was ihr kochen wollt, den Rest bewahrt bis morgen früh auf!
24 Sie bewahrten es also bis zum Morgen auf, wie es Mose angeordnet hatte, und es faulte nicht, noch wurde es madig.
29 Ihr seht, der Herr hat euch den Sabbat gegeben; daher gibt er auch am sechsten Tag Brot für zwei Tage. Jeder bleibe, wo er ist. Am siebten Tag verlasse niemand seinen Platz.
30 Das Volk ruhte also am siebten Tag.]
Impuls
Vor kurzem war ich im Kino und habe mir den Film „Ich Capitano“ angeschaut. Er erzählt die Geschichte von zwei jugendlichen Senegalesen, die davon träumen, als Musiker in Europa berühmt zu werden. Mit ihrem hart verdienten und heimlich gesparten Geld machen Sie sich eines Nachts voller Stolz auf ihren abenteuerlichen Weg in die Zukunft, der schon bald zu einem Kampf ums Überleben wird. Und dieser Kampf beginnt mit der Durchquerung der Sahara. Dazu haben sie sich gnadenlosen Schlepperbanden ausgeliefert, die im wahrsten Sinne keine Rücksicht auf Verluste nehmen. Als einer der Reisenden bei der rasenden Fahrt über die Holperpiste von der Ladefläche des vollgestopften Pickups fällt, wird er einfach liegen gelassen, ebenso wie eine Frau, die den Strapazen der Wüstenwanderung nicht gewachsen ist.
Diese Bilder kamen mir beim Lesen des Textes aus dem Buch Exodus in den Sinn, der an diesem Sonntag zur Feier der Liturgie vorgesehen ist.
Die Israeliten befinden sich nach ihrer Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten auf ihrer Wanderung durch die Wüste. Schon zum dritten Mal geraten sie in Not. Gerade waren sie mit JHWHs[1] Hilfe der Streitmacht des Pharaos entkommen, da wird auch schon das Wasser knapp. Und als sie es in Mara endlich finden, ist es ungenießbar. Mit einem „Trick“ sorgt JHWH dafür, dass aus dem bitteren süßes Wasser wird und darüber hinaus führt er das Volk in die Oase nach Elim wo es zwölf Quellen und siebzig Palmen gibt. Wasser im Überfluss! Dort lassen die Israeliten sich eine Zeit lang nieder.[2]
Nach einer Weile brechen sie wieder auf, um ihren Zug durch die Wüste fortzusetzen, da geraten sie schon wieder in Not. Dieses Mal wird das Essen knapp. Heftige Vorwürfe erheben die Israeliten gegen Mose und Aaron, so als hätten diese bei der Flucht aus Ägypten schon die Absicht gehabt, ihre Leute in den Tod statt ins Leben zu führen. Ich könnte verstehen, wenn die beiden kapituliert und sich ihrer Verantwortung entledigt hätten. Aber sie stehen zu ihrer Berufung als Mittler zwischen JHWH und dem Volk. Und den scheint das Murren nicht zu stören. Er hört es – und handelt. Auch in dieser Situation erweist sich JHWH als Lebensretter. Er lässt am Morgen das Manna vom Himmel fallen und am Abend bedecken Wachteln den Boden. Wieder gibt er im Überfluss und bis zu dem Tag, an dem sie die Grenze von Kanaan erreichen werden sie täglich das Manna sammeln![3] Dieses Manna und die Wachteln versorgen das Volk nicht nur mit Nahrung, sondern es erfährt darin auch den andauernden Segen Gottes!
Doch im Überfluss liegt auch die Versuchung. Die tägliche Versorgung war an eine Bedingung geknüpft, nämlich nur für den täglichen Bedarf zu sammeln, nicht mehr und nicht weniger.
Aber ist es nach den vorangegangenen Erfahrungen von Hunger und Durst nicht allzu verständlich und sogar vernünftig Vorräte anzulegen für den Fall, dass…? Einige haben es versucht und sind damit kein bisschen weitergekommen. Die Vorräte waren schon am selben Tag vergammelt. Nur am sechsten Tag durfte die doppelte Menge gesammelt werden, damit am siebten geruht werden konnte. Was am sechsten Tag gesammelt wurde, vergammelte nicht!
Schon hier, lange bevor JHWH den Israeliten am Sinai die Zehn Worte der göttlichen Weisung[4] schenkte, schenkte er ihnen den Sabbat, den Tag der Unterbrechung.[5]
Und es kommt noch besser! Bis JHWH sich am Sinai zu erkennen gibt und den unauflöslichen Bund mit seinem Volk schließt, wird er es selbst auf dieses Ereignis vorbereiten. Es werden noch weitere Notlagen und sogar eine kriegerische Auseinandersetzung folgen, doch JHWH bleibt an der Seite seines Volkes, damit es ihn und seinen Namen erkennt[6]: JHWH „Ich bin, der ich bin“[7]. Die Gotteserfahrung des Mose am Dornbusch wird zur Erfahrung des ganzen Volkes Israel. Gott ist kein Schlepper, sondern der gute Hirte[8] der sein Volk durch alle Gefahren sicher ans Ziel bringt.
Ich frage mich, was dieser Text uns heute, mehr als 2500 Jahre später, sagen kann. Vielleicht dies:
- Die Israeliten mussten lernen JHWH zu vertrauen. – Damals wie heute ist das eine Lebensaufgabe für jede/n, die/der in Beziehung zu ihm leben möchte.
- Die Israeliten mussten lernen, dass sie einzig und allein von der Güte und Treue JHWHs leben. Darum durften sie das Manna nur für den täglichen Bedarf sammeln. – Wir leben nicht in erster Linie von unserer eigenen Leistung und Geschäftigkeit und wir leben nicht vom Brot allein, sondern ganz und gar durch Gottes Wort und Tat.
- Die Israeliten mussten lernen, dass JHWH auch in scheinbar ausweglosen Zeiten für sie da ist und für sie sorgt. – Dunkle Zeiten im Leben, können eine Chance sein, in denen der Glaube sich bewähren und wachsen kann.
- Die Israeliten durften erkennen, dass sie gesegnet sind und eigentlich keinen Grund zum Murren haben – vielleicht ein Ansporn, sich dieses täglich bewusst zu machen.
- Die Israeliten bekamen den Sabbat als ein Fest der Befreiung und als einen Vorgeschmack für den ewigen Sabbat bei JHWH. – Wir brauchen Unterbrechungen im Alltag, die den Blick für den Sinn des Lebens freimachen, damit wir offen, frei, empfangsbereit und kommunikationsfähig werden.[9]
- Die Israeliten mussten lernen, dass die Rückkehr zu den Fleischtöpfen Ägyptens keine Alternative darstellte. – So schwer es auch fällt, wir müssen Abschied nehmen von den „Fleischtöpfen der guten alten Zeit“, als wir noch Volkskirche waren und darauf vertrauen, dass Gott immer die bessere Zukunft für uns vorbereitet.
Die Erzählung von der Wüstenwanderung ist eine Hoffnungsgeschichte. Sie lädt uns ein, Gott zu vertrauen. Denn die Pläne, die er für uns hat, sind Pläne des Heils und nicht des Unheils. Er will uns Zukunft und Hoffnung geben.[10]
[1] JHWH Eigenname Gottes in der Hebräischen Bibel
[2] Ex 25,22ff
[3] Ex 16,35
[4] Jüdischer Ausdruck für die 10 Gebote
[5] Ex 16,29
[6] Ex 16,12
[7] Ex 3,14
[8] Psalm 23
[9] Neue Predigten zum Alten Testament, Franz Josef Ortkemper (Hrsg.) Verlag Katholisches Bibelwerk
[10] Jer 29,11