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Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis

von Pastor Stefan Krinke

Foto: Timo Klostermeier / pixelio.de

Evangelium: Lukas 6,17-18a.20-26

In jener Zeit 17 stieg Jesus mit den Zwölf den Berg hinab. In der Ebene blieb er mit einer großen Schar seiner Jünger stehen und viele Menschen aus ganz Judäa und Jerusalem und dem Küstengebiet von Tyrus und Sidon 18a waren gekommen.

20 Jesus richtete seine Augen auf seine Jünger und sagte: Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. 21 Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den Propheten gemacht.

24 Doch weh euch, ihr Reichen; denn ihr habt euren Trost schon empfangen. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und weinen. 26 Weh, wenn euch alle Menschen loben. Denn ebenso haben es ihre Väter mit den falschen Propheten gemacht.

 

Predigt

„Wer die Wahl hat, hat die Qual.“ – Wer kennt es nicht, dieses Sprichwort? Nun sind wir aufgerufen, am 23. Februar den nächsten Bundestag und damit eine neue Regierung zu wählen. Und wir sollten es tun. Doch welche Partei vertritt mich und meine Interessen am besten? Ich bin hin- und hergerissen – und so manche Politik-Sendung oder Wahlwerbung in den Medien wird ebenfalls zur Qual … Da bietet die Auseinandersetzung mit dem sonntäglichen Evangelium eine gute Abwechslung. Vielleicht schafft sie ja auch eine Grundlage für mein eigenes Wahlverhalten. Denn immerhin hat die Bergpredigt neben den Christen auch weltverneinende Pazifisten wie Leo Tolstoi oder Neomarxisten wie Ernst Bloch und andere inspiriert.

Der erste Teil der sogenannten Feldrede Jesu (so benannt, weil der Evangelist Lukas sie eben nicht auf dem Berg, sondern auf freiem Feld verortet) mit seinen Selig- und Wehe-Rufen ist gewiss kein Parteiprogramm. Aber eine Haltung wird in diesen Worten deutlich. Dabei preist Jesus nicht die Armut, den Hunger, das Weinen selig oder verteufelt den Reichtum, das Satt-Sein, das Lachen. Es wird keine Aussage gemacht über einen sozialen Zustand. Es sind jeweils die Menschen, die in diesen konkreten Situationen leben und dadurch entweder eine größere oder eben eine nicht so große Offenheit gegenüber Gott haben.

Jesus nimmt also die menschliche Not ganz ernst, aber er belässt sie nicht in den engen Grenzen des Irdisch-Welthaften. Er stellt auch keinen weltlichen Wechsel der Verhältnisse in Aussicht, wie es so manche Revolution in der Geschichte getan hat. Die Armen – und damit meint er auch die Hörwilligen, die Aufgeschlossenen, die Menschen mit offenem Ohr und offenen Herzen – erhalten das Anrecht auf das Königreich Gottes zugesprochen. Gewiss, es ist eine Verheißung für die Zukunft. Doch Jesus wirkt schon zeichenhaft in den Heilungen, Wundern und Dämonenaustreibungen – weswegen die Menschen ja zu ihm kamen – und macht deutlich: die Herrschaft Gottes hat mit ihm bereits begonnen.

„Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausstoßen und schmähen und euren Namen in Verruf bringen um des Menschensohnes willen“ (Lk 6,22).

Bei diesem Satz aus der Feldrede bleibe ich hängen und erinnere mich an meine erste „Nicht-Wahl“ am 14. Juni 1981 zur Volkskammer der DDR. Kurz vor meinem Abschluss der Lehrausbildung mit Fachabitur und dem dann für mich folgenden Theologiestudium an einer kirchlichen Hochschule war mir klar, dass ich zu dieser „Scheinwahl“ nicht gehen werde. Doch weit gefehlt: Meine Eltern hatten große Sorge, dass ich die Zeugnisse nicht bekommen würde und sahen so meinen Abschluss gefährdet. Deshalb drängten sie mich, wählen zu gehen. Doch hatte ich eine Wahl?

Unser Christsein ist neben der Botschaft Jesu und seinem Ruf zur Nachfolge immer auch geprägt von den Umständen und Verhältnissen, in denen wir leben. Dazu gehört in einer Demokratie, unsere Stimme zu erheben, wenn etwas unserer Haltung zuwiderläuft. Mag sein, dass uns deswegen manche schmähen oder verunglimpfen.

Papst Franziskus sieht in den Seligpreisungen der Bergpredigt den „Personalausweis des Christen.“ Solange ich mit meiner Stimme etwas im Geiste Jesu bewirken, verbessern oder verändern kann, bin ich dazu herausgefordert, es auch zu tun – auch wenn die Wahl nicht einfach fällt. Vielleicht nehmen wir zur anstehenden Wahl auch den „Personalausweis der Christen“ mit in die Kabine?

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