von Monika Tenambergen
Helmut James und Freya von Moltke:
Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel. September 1944 – Januar 1945
Als Freya von Moltke am Neujahrstag 2010 im Alter von 98 Jahren verstarb, hatte sie die posthume Veröffentlichung der Abschiedsbriefe erlaubt, die sie und ihr Mann Helmuth James Graf von Moltke sich heimlich schrieben, als Moltke im Strafgefängnis Tegel auf seinen Prozess und seine Hinrichtung wartete.
Moltke gehörte das Gut Kreisau in Schlesien, nach dem die Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis benannt wurde. Dort fand man sich während der NS-Diktatur zu geheimen Treffen zusammen, um Entwürfe für ein neues Deutschland für die Zeit nach dem Krieg zu entwickeln. Im Januar 1944 wurde Moltke verhaftet und zunächst im KZ Ravensbrück, ab September 1944 dann im Gefängnis Tegel gefangen gehalten. Der Schuldvorwurf der Nazis lautete, Moltke und seine Mitstreiter hätten darüber nachgedacht, wie ein sich auf sittliche und demokratische Grundsätze zurückbesinnendes Deutschland in einer Zeit nach Hitler entstehen könnte. Dieses gemeinsame Denken sah Roland Freisler, der Präsident des Volksgerichtshofes, als ein todeswürdiges Verbrechen an.
Es erscheint wie ein Wunder, dass die Briefe überhaupt existieren. Zu verdanken ist dies dem Mut von Gefängnispfarrer Harald Poelchau. Fast täglich schmuggelte er sie unter Einsatz seines Lebens an der Zensur vorbei ins Gefängnis und wieder hinaus. Ihm und seiner Frau Dorothee ist darum das Buch mit der Briefsammlung gewidmet.
Dass die Briefe erst ein Jahr nach dem Tode der Witwe veröffentlicht werden durften, ist nur allzu verständlich. Sie waren Freyas ganz persönlicher Schatz, von dem nur wenige Familienangehörige wussten und zu intim, als dass sie zu ihren Lebzeiten von Fremden gelesen würden. „Es geht um ihre Liebe und die Lage in Kreisau, die Situation im Gefängnis und die Vorbereitung auf den Tod, aber auch um den Widerstand und Wege zur Rettung“, wie es im Klappentext des Buches heißt.
Helmuth und Freya sind gläubige Christen. Helmuths einzige Lektüre im Gefängnis sind die Bibel und das Gesangbuch. Mit Freya liest er dieselben Abschnitte und Lieder. Sie tauschen sich intensiv darüber aus, stärken einander im Glauben und in der Hoffnung. Helmuth lernt ganze Passagen und Lieder auswendig. Freya ihrerseits setzt alle Hebel in Bewegung, um ihrem Mann das Leben zu retten, schreibt sogar ein Gnadengesuch an den Reichsführer der SS, Heinrich Himmler. Gemeinsam arbeiten sie an Verteidigungslinien für den Prozess vor dem Volksgerichtshof. Trotz all dieser Mühen rechnen beide dennoch mit dem Todesurteil.
Obwohl nahezu undurchdringliche Gefängnismauern das Paar voneinander trennen, ist es sich gerade in dieser Zeit so nah wie nie zuvor und voller Dankbarkeit für die letzten gemeinsamen Wochen. In ihrem Brief vom 11. Oktober 1944 schreibt Freya: „Ich bin glücklich, dass Du weißt, wie groß mein Schmerz sein wird, ohne Dich weiterleben zu müssen. Ich bin voll tiefster Dankbarkeit für den Inhalt dieser Wochen. Ja, wir sind sehr beschenkt worden, sehr reich und sehr wunderbar, und dass wir es zusammen geschenkt bekommen haben, bedeutet solch ein Glück. Gott gebe, dass wir die Kraft finden, weiter zu sagen, „Dein Wille geschehe“. Und Helmuth schreibt am 11. Januar 1945, dem Tag seiner Verurteilung zum Tode: „Ich habe ein wenig geweint eben, nicht traurig, nicht wehmütig, nicht weil ich zurück möchte, nein, sondern vor Dankbarkeit und Erschütterung über diese Dokumentation Gottes. Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber wir müssen sehr erschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen, dass er ein ganzes Leben hindurch am Tage als Wolke und in der Nacht als Feuersäule vor uns hergezogen ist und dass er uns erlaubt, das plötzlich, in einem Augenblick, zu sehen.“
Dieses Buch ist einerseits ein historisches Dokument und andererseits das persönliche Zeugnis einer großen unerschütterlichen Liebe in unmenschlicher Zeit, erstarkt durch die Kraft des Geistes und des Glaubens.
Freya von Moltke war 33 Jahre alt, als das Todesurteil gegen ihren Mann in Berlin-Plötzensee vollstreckt wurde.
Das Buch ist bei C.H. Beck erschienen. Herausgeber sind Helmuth Caspar von Moltke und Ulrike von Moltke.