Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis

von Pastor Stefan Krinke

Bild: Pixabay

Evangelium: Markus 5,21–43

In jener Zeit

21 fuhr Jesus im Boot an das andere Ufer des Sees von Galiläa hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war,

22 kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaírus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen

23 und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt!

24 Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn.

25 Darunter war eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutfluss litt.

26 Sie war von vielen Ärzten behandelt worden und hatte dabei sehr zu leiden; ihr ganzes Vermögen hatte sie ausgegeben, aber es hatte ihr nichts genutzt, sondern ihr Zustand war immer schlimmer geworden.

27 Sie hatte von Jesus gehört. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten heran – und berührte sein Gewand.

28 Denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt.

29 Und sofort versiegte die Quelle des Blutes und sie spürte in ihrem Leib, dass sie von ihrem Leiden geheilt war.

30 Im selben Augenblick fühlte Jesus, dass eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt?

31 Seine Jünger sagten zu ihm: Du siehst doch, wie sich die Leute um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt?

32 Er blickte umher, um zu sehen, wer es getan hatte.

33 Da kam die Frau, zitternd vor Furcht, weil sie wusste, was mit ihr geschehen war; sie fiel vor ihm nieder und sagte ihm die ganze Wahrheit.

34 Er aber sagte zu ihr: Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.

35 Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten zu Jaírus: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger?

36 Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht! Glaube nur!

37 Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus.

38 Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Tumult sah und wie sie heftig weinten und klagten,

39 trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur.

40 Da lachten sie ihn aus. Er aber warf alle hinaus und nahm den Vater des Kindes und die Mutter und die, die mit ihm waren, und ging in den Raum, in dem das Kind lag.

41 Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talíta kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!

42 Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute waren ganz fassungslos vor Entsetzen.

43 Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.

 

Predigt

Liebe Schwestern und Brüder!

Mitten in einer wichtigen Arbeit gestört zu werden, ist für viele nicht sehr angenehm. Besonders dann, wenn es sich nur um Belanglo­sigkeiten handelt und man dadurch vielleicht eine Arbeit wieder von vorne beginnen muss. Aber Störungen sind ein Teil des Lebens. Nur lei­der planen wir sie meistens nicht mit ein. Ich denke da z.B. an einen Stau, in den wir bisweilen geraten. In den seltensten Fällen kann ich den einplanen. Wenn ich dann drinstehe, ma­che ich mir selbst Vorwürfe im Sinne von: das hättest du dir ja denken können. Es ändert aber nichts.

Störungen gibt es in den verschie­densten Formen und Varianten: Kind schreit, Bildstörung beim Fußball­gucken, unerwarteter Besuch, je­mand, der sich zum Gespräch auf­drängelt usw.

Alle Lebensbereiche sind mit Stö­rungen eingedeckt. Man kann wirk­lich sagen, dass sie dazugehören. Eigentlich ist es schade, dass wir Störungen oft als negativ einstu­fen. Denn viele von ihnen berei­chern unser Leben, ja, manche geben unserem Tun auch eine andere, viel­leicht noch nicht bedachte Rich­tung.

Das heutige Evangelium ist ein kunstvoll verschränkter Bericht über zwei Wundertaten Jesu. Eigent­lich ging es ja nur um die Heilung der Tochter des Jairus, wenn da nicht diese Frau Jesus ge­stört hätte. Warum tut sie dies?

Der Evangelist Markus beschreibt dies und lässt so die Not der Frau für uns deutlich werden. Was im Text gar nicht anklingt: ihre Krank­heit macht nicht nur ihr zu schaf­fen. Sie hat sogar soziale Folgen für die Frau. Zum einen hat sie ihr ganzes Vermögen inzwischen bei den Ärzten gelassen und zum anderen wird sie durch ihre ständigen Blu­tungen in der damaligen Zeit „kulti­sch unrein“, was bedeutet, dass ihr jede Berührung eines anderen Men­schen, jede Beziehung strengstens untersagt sind.

Die Begleiterscheinungen ihrer Krankheit wurden für sie immer un­erträglicher. Wie groß ihre Not war, können wir an ihrem Verhalten ein wenig erahnen. Sie durchbricht alle diese vom Gesetz bestimmten Tabu-Grenzen. Sie verlässt unerlaub­terweise ihr Haus, sie „verunreinigt“ alle Menschen, die sie berührt, und schleicht sich an Jesus heran, den sie durch die Be­rührung schließlich auch „kultunfähig“ macht. Welch eine Not!

Umso größer ihre Freude, als sie ihre Heilung spüren kann. Doch war ihr Handeln richtig? Auch Jesus spürt die erschlichene Berührung und Heilung und fragt nach der Frau. Eine brenzlige Situation: Wird er sie nicht viel­leicht „fertig“ machen, abkanzeln, was sie sich denn erlaube? Sie hat doch mitbekommen, dass Jesus gleich­sam zu einen „Notarzt-Einsatz“ gerufen wurde und wusste, dass durch ihr Vorgehen er selbst unrein würde.

Aber Jesus reagiert wieder einmal ganz anders. Jesus macht die be­reits geschehene Berührung aus­drücklich: „Meine Tochter, dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein.“ Das un­verschämte Zutrauen der Frau und die unglaubliche Sensibilität Jesu für diese leidende Frau sind die „Wundermittel“.

Was hat diese Störung nun „gebracht“? Für die Frau die Ge­sundheit, aber die 12jährige ist gestorben. Eine schlimme Folge. Doch Markus erzählt, wie aus der erbetenen Krankenheilung eine Toten­erweckung wird. Damit gibt er den Jüngerinnen und Jün­ger da­mals und uns heute ein Art Weisung mit: Bleib mitfühlend mit dem oder der Leidenden! Lass dich von konkreter Not unterbrechen in deiner Ge­schäftigkeit! Sei ansprechbar und lauf nicht davon, wenn es „zum Davonlaufen“ ist! Denn häufig ist die Störung das Gebot der Stunde: Es könnte Gott sein, der dich in deinem Tun stört …

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