Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis 2023

von Diakon Tobias Riedel

Lesung: Röm 6,3-4.8-11

3 Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind?

4 Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln.

8 Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.

9 Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn.

10 Denn durch sein Sterben ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott.

11 So begreift auch ihr euch als Menschen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.

 

Predigt

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? – Mit diesem Satz beginnt der Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir gerade als zweite Lesung gehört haben. Ein markanter Satz, der aufhorchen lässt, uns vielleicht sogar aufschreckt. Was hat unsere Taufe mit dem Tod Jesu zu tun? Dieser Frage möchte ich in der Predigt heute gemeinsam mit Ihnen nachgehen.

Wir alle wissen: Keine Taufe ohne Wasser. Bei der Taufe wird der Täufling dreimal mit Wasser übergossen. Bei einer Kindertaufe nehmen wir dafür heute vorgewärmtes Wasser, damit sich der kleine Mensch nicht erschrickt, und gleich anschließend wird der Kopf mit einem weichen Tuch wieder trockengetupft. Früher, in den ersten Jahrhunderten der Kirche, war diese Zeichenhandlung der Taufe viel drastischer: Der Täufling, in der Regel ein Erwachsener, stieg in das Taufbecken und wurde komplett – mit Haut und Haar – untergetaucht, dreimal. Prustend, nach Luft ringend, kamen die Neugetauften danach wieder an die Oberfläche. Was hat dieser Ritus, der uns so vertraut und doch so fremd ist, eigentlich zu bedeuten?

Wasser ist ein ambivalentes Symbol. Einerseits wissen wir: Ohne Wasser kein Leben. Die Evolution lehrt uns, dass sich das Leben auf unserem Planeten zuerst im Wasser entwickelt hat – erst später, viel später, breitete es sich auf dem Land aus. In den letzten Jahren, als der Regen in Deutschland im Sommer teils wochenlang ausblieb, konnten wir eine leise Ahnung entwickeln, wie unverzichtbar Wasser für alles Leben ist. Und doch war diese Trockenheit ein Witz im Vergleich zu den schweren Dürren in der Sahelzone und in Ostafrika, die oft jahrelang anhalten und hunderttausende von Menschen zur Flucht zwingen … Wasser bedeutet Leben.

Andererseits wissen wir gerade hier in Norddeutschland auch, dass Wasser zu einer tödlichen Gefahr werden kann. Bei der schweren Sturmflut 1962 ertranken mitten in Hamburg über 300 Menschen. Erst kürzlich hat das Land Schleswig-Holstein begonnen, an der Nordseeküste die Deiche und die Warften auf den Halligen zu erhöhen, weil sie angesichts des Klimawandels keinen ausreichenden Schutz mehr bieten. Ganz zu schweigen von den Bildern aus der Tagesschau, an die wir uns schon fast gewöhnt haben und doch nie gewöhnen sollten: Schwimmwesten, die auf dem Mittelmeer treiben, leer … Wasser bedeutet Tod.

Auch die Bibel weiß um die Ambivalenz des Wassers. Zwei Belegstellen nur, beide aus dem Buch der Psalmen: Psalm 18 besingt Rettung aus tödlicher Gefahr. Da heißt es: Der HERR griff aus der Höhe herab und fasste mich, zog mich heraus aus gewaltigen Wassern.[1] Wasser steht hier für Todesnot. Doch ein paar Zeilen weiter nur, in Psalm 23, heißt es: Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser.[2] Wasser kennzeichnet hier einen Ort des Lebens. Es ließen sich unzählige weitere Belegstellen finden, von der Sintflut bis zum Gespräch Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen.

All diese Ambivalenz schwingt mit, wenn ein Mensch getauft wird. Da stirbt etwas, geht zu Ende. Und gleichzeitig bricht etwas auf, es beginnt neues Leben. Im Römerbrief spricht Paulus davon, dass der alte Mensch[3] in der Taufe stirbt und gleichzeitig neues Leben[4] für uns beginnt. Was meint er mit diesen Chiffren: alter Mensch und neues Leben?

Im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen ist sich der Mensch seiner eigenen Endlichkeit bewusst. Eine Katze weiß nicht schon Jahre im Voraus, dass sie sterben wird, allenfalls wenn es mit ihr zu Ende geht, hat sie vielleicht eine gewisse Vorahnung. Ganz anders wir Menschen: Ab einem gewissen Alter wissen wir, dass wir sterben werden. Und dieses Wissen macht uns Angst, denn es stößt uns mit der Nase darauf, dass es keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist, dass es uns gibt – auch unser Nicht-Sein ist eine gedankliche Option … Also versuchen wir, uns gegen das Sterben abzusichern. Wir gehen zum Arzt zur Vorsorge, wir schließen eine Lebensversicherung ab, wir kämpfen gegen unsere Fältchen und Runzeln – und wissen doch, dass wir diesen Kampf letztlich nicht gewinnen können. Angst macht sich breit. Einen solchen Menschen, geprägt von einem Grundgefühl der Angst, nennt Paulus den „alten Menschen“.

Und genau dieser „alte Mensch“ geht in der Taufe zu Grunde. Denn in der Taufe, angesichts unseres eigenen Todes, hören wir die Stimme des Auferstandenen. Er spricht uns persönlich an, ruft uns beim Namen – und ich denke, seine Stimme klingt so: Fürchte dich nicht! Du brauchst keine Angst zu haben, denn auch wenn du stirbst, ich bin da. Du kannst dein Leben nicht absichern, und du brauchst es auch gar nicht – denn ich, Christus, stehe für dich ein. Ich will, dass du bist, denn ich liebe dich. Ich werde dich bewahren in Ewigkeit. Vertrau mir!

Wer diese Stimme einmal gehört hat, wer das einmal begriffen hat, bei dem schwindet die Angst. Er taucht aus dem Wasser auf und wird, noch nach Luft ringend, ein neues Leben beginnen, das nicht mehr von existentieller Angst geprägt ist, sondern von Freundschaft mit Christus. Einen solchen Menschen, der aus einem Grundgefühl des Vertrauens lebt, nennt Paulus eine „neue Schöpfung“[5]. Zu einem solchen Leben sind wir alle berufen. Bitten wir darum, dass uns dieses Geschenk, das Christus uns in der Taufe macht, immer mehr bewusst wird und wir unser neues Leben in Freundschaft mit ihm gestalten.

Amen.

[1] Ps 18,17-20

[2] Ps 23,2

[3] Römer 6,6

[4] Römer 6,4

[5] 2 Kor 5,17

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