Ein Licht für die Nationen

von Monika Tenambergen

Foto: Pixabay

Lesung Jesaja 49, 1-6

1 Hört auf mich, ihr Inseln, / merkt auf, ihr Völker in der Ferne! Der HERR hat mich schon im Mutterleib berufen; / als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt.

2 Er machte meinen Mund wie ein scharfes Schwert, / er verbarg mich im Schatten seiner Hand. Er machte mich zu einem spitzen Pfeil / und steckte mich in seinen Köcher.

3 Er sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, / an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will.

4 Ich aber sagte: Vergeblich habe ich mich bemüht, / habe meine Kraft für Nichtiges und Windhauch vertan. Aber mein Recht liegt beim HERRN / und mein Lohn bei meinem Gott.

5 Jetzt aber hat der HERR gesprochen, / der mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht geformt hat, damit ich Jakob zu ihm heimführe / und Israel bei ihm versammelt werde. So wurde ich in den Augen des HERRN geehrt / und mein Gott war meine Stärke.

6 Und er sagte: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, / nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten / und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht der Nationen; / damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.

(die kursiv gedruckten Sätze gehören nicht zur Sonntagslesung)

Geistlicher Impuls

Schlecht abgeschnitten haben die christlichen Kirchen in den Umfragen und Statistiken am Jahresende 2022.

Die Liste an Hiobsbotschaften könnte fortgesetzt werden.
Wie soll man da noch hoffen, dass es wieder besser wird?

Als ich vor einigen Tagen die Lesung des heutigen Sonntags aufschlug und sie in ihrem ganzen Umfang las, fand ich gerade im für die Liturgie ausgelassenen Vers 4 den Satz, der mir mit Blick auf diese Entwicklungen in der Kirche aus dem Herzen sprach und den viele wahrscheinlich ebenso empfinden.

Der Prophet spricht: „Vergeblich habe ich mich bemüht, / habe meine Kraft für Nichtiges und Windhauch vertan.“ Alles umsonst! Kennen Sie dieses Gefühl? Sie haben sich angestrengt, wollten etwas bewirken, aber es fruchtet nicht. Alles umsonst! Wie frustrierend! Und ausgerechnet von Jesaja muss ich diese Worte hören. Der Prophet, der mir sonst immer ein Tröster und ein Hoffnungsbote ist! Warum sagt er so etwas?

Das zweite Gottesknechtslied, wie dieser Abschnitt im Jesaja-Buch genannt wird, entstand in einer Situation, in der große Teile des Volkes Israel schon fast 50 Jahre im Exil lebten. Nach der verheerenden Katastrophe der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezzar wurden zwischen 597 und 582 v.Chr. vor allem die Oberschicht und die Intellektuellen von Jerusalem nach Babylon deportiert und dort neu angesiedelt. Das Volk lebte in der Fremde ohne Tempel, ohne die Bundeslade – sie repräsentiert Gottes Gegenwart im Volk! – und für sehr lange Zeit ohne Aussicht auf Rückkehr in die Heimat. Da gibt es keine Hoffnung.

Was bleibt einem übrig, als sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Schnell versuchen die Exilanten, sich ein neues Leben aufzubauen. Man lernt, in einer fremden Kultur zu leben. Manche werden sogar in den Staatsdienst übernommen. Die Zukunft des auserwählten Volkes aber ist gefährdet. Auf ein kleines Häuflein zusammengeschrumpft, schwindet seine Bedeutung als Volk Gottes.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Geht es unseren Kirchen nicht ähnlich?

Aber das Volk gibt seinen Glauben nicht auf. Im Gegenteil. Er wird stärker und in einer polytheistischen Umgebung wird klarer, dass es nur einen Gott gibt, nämlich den, der über sich selbst sagt: „So spricht der HERR, Israels König, / sein Erlöser, der HERR der Heerscharen: Ich bin der Erste, ich bin der Letzte, / außer mir gibt es keinen Gott.“ (Jes 44,6)

In dieser Situation erinnert sich der Prophet an seine Berufung und an die des Volkes Israel. Ja, der Frust ist da. Aber die Verheißung und die Treue Gottes ist auch da. „Der HERR sagte zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, / an dem ich meine Herrlichkeit zeigen will.“ (Jes 49,3)

Sollte uns das nicht hoffen lassen? Wenn die Zahlen der Kirchenmitglieder, der Gottesdienstbesucher, der Finanzen, der Immobilien nur noch nach unten gehen, wenn alles umsonst scheint, wenn es sich anfühlt, als sei unsere ganze Mühe vergeblich, ist das kein Grund den Mut und die Hoffnung aufzugeben. Gott ist immer noch da. Und solange wir an ihn glauben, kann er an uns und durch uns seine Herrlichkeit zeigen.

Denn es geht um eine neue Sicht! Vielleicht sind wir auf dem falschen Weg, wenn wir meinen, die Kirche retten zu müssen. Es geht um viel mehr! Gott spricht zum Propheten: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, / nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten / und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht der Nationen; / damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht.“ (Jes 49,6)

Wow! Was für eine Ansage an ein kleines Häufchen gläubiger Menschen im Exil! Da kann einem ja schon wieder angst und bange werden. Aber auch dazu gibt es keinen Grund.

Gott hat einen Plan! Und den wird er verwirklichen.

Mit uns!

Was für eine Ehre!

<< zurück zu Ansverus-News 2023-02