Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis

von Pastor Stefan Krinke

Ölkrug. Töpferarbeit aus Mecklenburg nach historischem Vorbild. Foto: Tobias Riedel

Ersttestamentliche Lesung: 1 Kön 17,10-16

10 In jenen Tagen machte sich der Prophet Elija auf und ging nach Sarepta. Als er an das Stadttor kam, traf er dort eine Witwe, die Holz auflas. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäß ein wenig Wasser zum Trinken! 11 Als sie wegging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bissen Brot mit! 12 Doch sie sagte: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vorrätig als eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und meinen Sohn etwas zuzubereiten. Das wollen wir noch essen und dann sterben. 13 Elija entgegnete ihr: Fürchte dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast! Nur mache zuerst für mich ein kleines Gebäck und bring es zu mir heraus! Danach kannst du für dich und deinen Sohn etwas zubereiten; 14 denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Der Mehltopf wird nicht leer werden und der Ölkrug nicht versiegen bis zu dem Tag, an dem der HERR wieder Regen auf den Erdboden sendet. 15 Sie ging und tat, was Elija gesagt hatte. So hatte sie mit ihm und ihrem Haus viele Tage zu essen. 16 Der Mehltopf wurde nicht leer und der Ölkrug versiegte nicht, wie der HERR durch Elija versprochen hatte.

 

Evangelium: Mk 12,38-44

38 In jener Zeit lehrte Jesus eine große Menschenmenge und sagte: Nehmt euch in Acht vor den Schriftgelehrten! Sie gehen gern in langen Gewändern umher, lieben es, wenn man sie auf den Marktplätzen grüßt, 39 und sie wollen in der Synagoge die Ehrensitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben. 40 Sie fressen die Häuser der Witwen auf und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete. Umso härter wird das Urteil sein, das sie erwartet. 41 Als Jesus einmal dem Opferkasten gegenübersaß, sah er zu, wie die Leute Geld in den Kasten warfen. Viele Reiche kamen und gaben viel. 42 Da kam auch eine arme Witwe und warf zwei kleine Münzen hinein. 43 Er rief seine Jünger zu sich und sagte: Amen, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten hineingeworfen als alle andern. 44 Denn sie alle haben nur etwas von ihrem Überfluss hineingeworfen; diese Frau aber, die kaum das Nötigste zum Leben hat, sie hat alles hergegeben, was sie besaß, ihren ganzen Lebensunterhalt.

 

Predigt

Jesus liebte die Großzügigkeit. Da­für stehen einige Gleichnisse, z.B. das Gleichnis von der kostbaren Perle oder das vom Schatz im Ac­ker. An anderer Stelle spricht Jesus von der siebzig-, ja hundertfältigen Frucht. Seine Jünger erleben den überreichen Fisch­fang. Das Reich Gottes, so kann man vielleicht sagen, ist ein Reich der Großzü­gigkeit. Wer sich auf die Suche nach diesem Reich macht, so lesen wir, „dem wird alles andere hinzugegeben“ (Mt 6,33). Ist das nicht eine tolle Verheißung?

Diese Großzügigkeit, so muss man wohl ehrlicherweise hinzufügen, erweist sich einem nur bei der wirklichen und ganz aufrichtigen Suche nach einem Leben in Gottes Gegenwart in dieser unserer Welt. Warum sonst verlassen die Jünger ihre reichlich gefüllten Fischernetze, warum sonst kündigt Matthäus von jetzt auf gleich seine Stelle beim Zollamt?

Alle, die dem Herrn folgten und sich ganz klar waren, was diese Nachfolge in letzter Konsequenz für sie bedeutete, konnten großzügig sein und gegebenenfalls alles zurücklassen. Als Perspektive stand allein die Verheißung „Ihr werdet das Hundertfache erhalten“ (vgl. Mk 10,30). Allein aufgrund dieser Verheißung alles stehen oder liegen zu lassen – dazu gehört schon einiger Mut. Es wird aber auch deutlich: je ra­dikaler sich Menschen auf Jesus eingelassen haben, desto mehr haben sie die Wahrheit dieses Wortes er­fahren.

Die Witwe, die all ihren Besitz in den Opferkasten wirft; die Frau, die dem Propheten Elija eine Mahlzeit bereitet mit ihren letzten Vorräten; der hl. Martin, dessen Fest wir in diesen Tagen feiern und der selbstlos seinen Mantel teilt – sie und viele andere stehen für ein totales Vertrauen auf Gott und die Erkenntnis seiner Fürsorge für den Einzelnen. Nur Wenige bringen ein solches Vertrauen auf. Jenen aber wurde es geschenkt, trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer eigenen Not oder dem Gespür für die Not der Armen. Ihnen war klar, was ein chinesi­sches Sprichwort so sagt: „Wirklich reich ist nur der, der Unverlierba­res besitzt.“ Am Beispiel der Frau am Opferkasten konnten auch die Jünger lernen, was es heißt, ganz auf Gott zu vertrauen.

In einer Geschichte hört sich das so an: Ein Missionsprediger habe für „Berufe in der Kirche“ geworben und um Geld für die Ausbildung gebettelt. Als das Kollektenkörbchen zu einem jungen Mann gekommen sei, habe die­ser kein Geld bei sich gehabt. Da schrieb er auf einen Zettel: „Ich gebe mich selbst“ und legte diesen Zettel ins Körbchen.

„Sich-selbst-geben“ – das tun wir häufiger, als wir auf den ersten Blick denken: der Tischler, der das Fenster sorgfältig einbaut; die Kinder in der Schule, die sich Mühe geben; die Spieler des Handballclubs, die sich anstrengen, um das Spiel doch noch zu gewinnen; die Eltern, die für die Familie sorgen. Das Beispiel der Witwe erinnert daran: Bei allem, was wir tun, müssen wir uns selbst geben – sonst hat vieles, was wir tun, keinen Wert.

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