von Pastor Stefan Krinke
Erste Lesung: Zef 2, 3; 3, 12–13
Sucht den Herrn, all ihr Gedemütigten im Land,
die ihr nach dem Recht des Herrn lebt!
Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut!
Vielleicht bleibt ihr geborgen am Tag des Zorns des Herrn.
Und ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk.
Sie werden Zuflucht suchen beim Namen des Herrn als der Rest von Israel.
Sie werden kein Unrecht mehr tun und nicht mehr lügen,
in ihrem Mund findet man keine trügerische Rede mehr.
Ja, sie gehen friedlich auf die Weide und niemand schreckt sie auf, wenn sie ruhen.
Zweite Lesung: 1 Kor 1, 26–31
Seht auf eure Berufung, Schwestern und Brüder!
Da sind nicht viele Weise im irdischen Sinn,
nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme,
sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt,
um die Weisen zuschanden zu machen,
und das Schwache in der Welt hat Gott erwählt,
um das Starke zuschanden zu machen.
Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt:
das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten,
damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott.
Von ihm her seid ihr in Christus Jesus, den Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung.
Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn;
so heißt es schon in der Schrift.
Evangelium: Mt 5, 1–12a
Als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten,
stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm.
Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:
Selig, die arm sind vor Gott;
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden;
denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen;
denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit;
denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen;
denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen;
denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften;
denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen;
denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt
und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
Freut euch und jubelt:
Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.
Predigt
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Leserin, lieber Leser,
nachdem ich schon die folgenden Zeilen notiert hatte, höre ich von der schrecklichen Messerattacke in der Bahn bei Brokstedt. Welch ein schlimmes Verbrechen! Es macht mich und viele von uns sprachlos. Mit-Trauer, Mit-Gedenken, Mit-Beten ist jetzt angesagt. Dass wir dieses Tun auch von Jesus hören und uns an seinem Mit-Sein mit den Menschen orientieren können, wird mir nochmals klarer, auch durch die biblischen Texte dieses Sonntags.
Bis zum Beginn der Fastenzeit werden uns an den Sonntagen Abschnitte aus der Bergpredigt Jesu begleiten. Die Version bei Matthäus, die wir hören, erstreckt sich über drei Kapitel, während Lukas in der „Feldrede“ nur gut 20 Verse verwendet und dabei ebenfalls Seligpreisungen anführt, allerdings nur drei, während bei Matthäus neun verschiedene Personengruppen seliggepriesen werden.
Schon allein diese Feststellung macht deutlich, dass es sich lohnen könnte, da mal die Bibelforscher genauer zu Wort kommen zu lassen …
Aber für einen Impuls wäre das wohl zu komplex. Allerdings stieß ich bei meinen Vorbereitungen auf einen Text von Dr. Joachim Kügler im Heft „Die Bibel und die Armen“ aus der Reihe „Bibel heute“ (Ausgabe III/2014) vom Katholischen Bibelwerk.
Er schreibt dabei etwas zur Lebensbedeutung der Seligpreisungen in der Umwelt Jesu. Es gab in der Antike eine „klare Entsprechung von göttlicher und menschlicher Macht. Der Herrscher war Stellvertreter und Vollzugsorgan des göttlichen Willens. Da es damals eigentlich nur einen echten Machthaber gab, nämlich den römischen Kaiser, lag die gesamte politisch-religiöse Macht in seinen Händen. (…) Jüdische Gruppen konnten diese römische Machttheologie natürlich nicht gut akzeptieren. Aber ihre eigenen Gegenentwürfe waren oft nur das Spiegelbild dazu. – Auch Jesus geht zur Machttheologie Roms auf Distanz. Aber er stellt die Verbindung von menschlicher und göttlicher Macht prinzipiell infrage. Er sieht Gottes Macht nicht in den Reichen und Mächtigen repräsentiert. Gott steht für ihn auf der Seite der Armen und Machtlosen.“
Jesus widerspricht damit der ganzen antiken Welt! Er steht für eine neue Weltordnung, in der den Armen gesagt wird, dass sie sich keinesfalls als wertlos und überflüssig sehen müssen.
Gleichzeitig sagt er indirekt all jenen, die nicht arm sind, aber Gott suchen, dass ER, Gott, nicht in Reichtum und Macht zu finden ist, sondern bei den Armen, Hungernden und Traurigen.
Was ich dann bei diesem Theologen lese, wird zur Herausforderung:
„Im Vergleich mit den Armen hierzulande (und erst recht im Vergleich mit der globalen Armut) sind die durchschnittlichen Mitglieder westlicher Kirchen keine Armen. Das heißt, dass uns die Seligpreisung der Armen nicht gilt. Jesus hat uns nicht gemeint. Diese Erkenntnis mag wehtun, aber sie ist heilsam. Nicht die Armen sind von Gott abgeschnitten, sondern wir, die Reichen.“
Paulus und damit eine weitere Stimme, scheint das auch so verstanden zu haben, wenn er im Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt:
„Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: Das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott“ (1Kor 1,28f).
Somit bleibt für mich, und ich denke auch für viele von uns, immer wieder zu klären, wie ich solidarisch lebe mit jenen, die arm sind, wie ich teilhabe an der Not und dem Leid, welche mir auf so vielfältige Weise begegnen kann, bis hin zu der grausamen Tat in Brokstedt. In der Hinwendung zu denen, die so etwas durchleben, so verstehe ich die Seligpreisungen, kann sich auch für mich eine Perspektive des Heils eröffnen.