„You are welcome!“

Interview-Serie „Nachgefragt“, Teil 2:
Thomas Tilling im Gespräch mit Gemeindereferentin Monika Tenambergen

Foto: Hubert Sieverding

In der zweiten Folge unserer Gesprächsreihe „Nachgefragt“ spricht Thomas Tilling mit Gemeindereferentin Monika Tenambergen über Weihnachten auf dem Hirtenfeld, Online-Gebete um den Heiligen Geist und andere neue Ideen für das Gemeindeleben.

Frau Tenambergen, ich war bestimmt nicht der Einzige, der begeistert war, als Sie „Weihnachten auf dem Hirtenfeld“ angekündigt haben. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Die ist, ehrlich gesagt, gar nicht neu. Auf meinem Arbeitsweg nach Bad Oldesloe fahre ich immer an den Dörfern Mannhagen und Nusse vorbei. Schon im letzten Jahr standen auf einer Weide Schafe, und da dachte ich: „Oh, das wäre ja cool, wenn man hier einmal Weihnachten feiern würde. Das ist ja ein richtiges Hirtenfeld!“ Es blieb aber bei der Idee. Doch in diesem Jahr waren die Schafe immer noch da und da hatte ich das Gefühl, jetzt sei der richtige Zeitpunkt. Tatsächlich war es kein Problem, Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu finden, die Idee ist überall auf positive Resonanz gestoßen – auch bei der evangelischen Gemeinde Nusse, der dortige Pastor war begeistert. Leider kann der Gottesdienst nun wegen der verschärften Corona-Landesverordnung nur im kleinen Rahmen stattfinden. Wir werden ihn aber im YouTube-Kanal unserer Pfarrei live übertragen.

Pfr. Scieszka sagte im ersten Gespräch dieser Reihe: „Ich bin nicht sicher, ob die Menschen nach Corona zurück in die Kirche kommen“. Wie gewinnen wir die Menschen wieder zurück, die sich in dieser Zeit entfernt haben?

Ja, das ist wirklich eine große Frage! Wie kann man überhaupt noch Kontakt herstellen? Wie kriegt man das hin? Ich glaube, dass wir verstärkt andere Formen entwickeln müssen. Wir planen zum Beispiel gerade einen „Praise and Worship“-Abend, also einen Gottesdienst mit moderner Lobpreismusik. Die Idee ist aus einem Gebetskurs entstanden. Eigentlich wollten wir zusammen zu einem „Nightfever“-Gottesdienst nach Hamburg fahren, doch der fällt wegen Corona aus. Jetzt versuchen wir es einfach selbst – online. Wenn es gut läuft, werden wir den Kreis öffnen. Ich finde, gerade jetzt haben wir die Chance, Dinge im Kleinen auszuprobieren. Wir müssen neue Formate entwickeln und versuchen, so Menschen zu erreichen, mit denen wir aktuell noch nicht in Kontakt sind.

Was Sie eben beschrieben haben, könnte man ja nach dem Ende der aktuellen Beschränkungen auch in „Präsenz“ machen.

Genau. Und dafür ist jetzt natürlich auch Zeit, sich dazu Gedanken zu machen. Ideen gibt es!

Sie sind – wie im Prinzip alle Mitglieder des Pastoralteams – für die ganze Pfarrei zuständig, haben Ihren Dienstsitz aber in Bad Oldesloe. Arbeiten Sie vor allem in der Oldesloer Gemeinde, oder wie sieht Ihr Alltag aus?

In der Oldesloer Gemeinde ist mein Arbeitsschwerpunkt. Da war ich ja schon vor der Gründung der jetzigen Pfarrei. Als wir uns zu Sankt Ansverus zusammengeschlossen haben, wollten wir in den einzelnen Gemeinden Kontinuität gewährleisten. Man braucht ja Kontakte vor Ort. So ein Hauptstandort ist nicht nur für mich wichtig, sondern vor allem für die Gemeindemitglieder: Sie wissen, wen sie vor Ort ansprechen können.

Sonst denken die Gemeindemitglieder am Ende über die pastoralen Mitarbeiter: „Die sind überall und nirgends“.

Genau. Ich glaube, die Gemeinden sind dankbar dafür, dass wir neben unseren Schwerpunktthemen für die Gesamtpfarrei auch einen konkreten Dienstort haben.

Ihr Schwerpunktthema lautet „Angebote für Erwachsene“. Was ist Ihre Erfahrung aus den ersten zwei Jahren Sankt Ansverus: Was ist besonders angekommen, was wünschen sich die Menschen?

Es war gar nicht so einfach, da etwas zu finden, ehrlich gesagt. Ich bin froh, dass ich die Alpha-Kurse als Möglichkeit gefunden habe. Darauf habe ich mich jetzt erst einmal konzentriert, denn hinter dem Konzept der Alpha-Kurse steht vor allem eines: eine Einladung. Ich finde, Gemeinden sollten einladend sein.

Wahrscheinlich bin ich nicht der Einzige, der Alpha-Kurse bislang nicht kennt …

Es geht darum, dazu einzuladen, den christlichen Glauben – unseren Glauben – kennenzulernen: Ohne Druck, ohne besondere Erwartungen und das in einer Atmosphäre, die freundschaftlich und wertschätzend ist gegenüber jeder Frage, die gestellt wird. Jeder darf seine Fragen stellen. Und auch ich lerne dabei, meine Fragen zu stellen. So wollen wir mit Menschen in Kontakt kommen, die Interesse am Glauben haben.

Wie sieht das konkret aus?

Gemeinschaft kann bei einem „analogen“ Alpha-Kurs gut beim Essen entstehen. Ich habe in Mölln z.B. einen Kurs für die Kindergarten-Eltern gemacht. Der fing immer mit einem Frühstück an, während die Kinder im Kindergarten waren. Danach gab es einen 20minütigen Film zum Thema des Tages und anschließend einen Austausch darüber. Über die Zeit entwickelten sich so sehr schöne Kontakte.

Und in „Corona-Zeiten“?

Wir hatten gerade mit einem Kurs angefangen, da kam Mitte März der Lockdown. Auf ein Online-Format umsteigen wollten die meisten Teilnehmer nicht. Wir haben dann mit einigen aus dem Kreis die Zeit von März bis August mit einem Online-Gebetskurs überbrückt. Und als wir uns dann im August wieder in Präsenz treffen konnten, war die Atmosphäre wieder sehr vertraut: Fast keine Fremdheit war da, wir hatten uns aufeinander gefreut und konnten den Kurs abschließen. Eine sehr schöne Erfahrung!

Wo wir bei „Angeboten für Erwachsene“ sind: Kommen die Erwachsenen zwischen Jugend und Seniorenalter nicht manchmal im Gemeindeleben zu wenig vor, gerade die Berufstätigen? Was könnte da helfen, um sie zu gewinnen?

Was immer gerne angenommen wurde, waren Wochenenden in Kloster Nütschau, die wir mit Familien gemacht haben. Ein Wochenende zum Entspannen. So, dass die ganze Familie dabei sein kann. Es war immer einer von den Brüdern dabei, der inhaltlich durch das Wochenende geführt hat. Die Erwachsenen hatten ihre Zeiten, in denen sie sich ungestört einem Thema widmen konnten. Währenddessen wurden die Kinder von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen betreut und hatten ihr Programm.

Solche Angebote sind das eine – das andere ist aber, wie man in einer Gemeinde aufgenommen wird …

Genau. Ich habe das in Amerika erlebt. Allein schon dieser Satz, egal wohin man kommt: „You are welcome!“ Dazu gibt es kein Pendant im Deutschen. Es ist vielleicht eine Floskel, aber ich finde ihn trotzdem schön.

Waren Sie beruflich in den USA?

Nein, privat. Aber ich bin natürlich auch da in Gottesdienste gegangen und habe dabei diese „Welcome“-Kultur gespürt, die ist da ausgeprägter als bei uns. Und ich finde auch, Gemeinde sind nicht nur die, die zum Gottesdienst kommen. Wir sind zu lange viel zu fixiert auf den Gottesdienst gewesen. Gerade durch die Alpha-Kurse lerne ich Leute kennen, die nicht zur Kirche kommen, aber viel Interesse mitbringen und teilweise auch ein geistliches Leben führen – aber in einer anderen Form als wir uns das denken. Das müssen wir mehr in den Blick nehmen. Jahrelang war die Frage: „Wie kriegen wir die Leute in die Kirche?“ Das muss eigentlich umgekehrt sein: „Wie kommt die Kirche zu den Leuten?“

Das ist gerade in der aktuellen Lage schwierig …

Ich finde, in den Online-Angeboten, die wir jetzt ausprobieren, liegt eine große Chance. Gerade für die erwähnten Berufstätigen: Warum nicht ein Online-Treffen für 20.30 Uhr ansetzen, wenn die Tagesschau vorbei ist? Losfahren würde man dann nicht mehr – aber online treffen kann man sich vielleicht doch noch, für eine Stunde oder anderthalb. Was ich daran besonders toll finde: Man trifft sich nicht an einem bestimmten Ort, sondern man kann Menschen aus der ganzen großen Pfarrei und sogar noch weit darüber hinaus einladen. Und doch treffen wir uns in gewisser Weise bei uns zu Hause, jeder erlaubt dem anderen einen Einblick in sein Haus. Das ist doch auch gelebte „Welcome-Kultur“, oder?

Das leuchtet ein – aber schafft dieses Format nicht zu viel Distanz?

Für mein Empfinden schaffen die Corona-AHA-Regeln im Augenblick viel mehr Distanz. Man kann sich nicht so unbeschwert begegnen wie früher, das fängt schon bei der Begrüßung an – da geht man eher einen Schritt zurück als aufeinander zu. Bei Videokonferenzen sind wir hingegen zwar räumlich getrennt, aber ich sehe die anderen auch mal ohne Maske und bekomme ihre Reaktionen mit. Auch ich konnte mir schwer vorstellen, dass man sich über eine Videokonferenz nahe sein kann, aber ich habe das immer wieder erlebt. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Schulung zum Alphakurs-Online, ganz am Anfang des Lockdowns. Da wurde gemeinsam um den Heiligen Geist gebetet. Wir waren aus allen Enden und Ecken der Welt versammelt und kannten uns nicht. Und trotzdem hat dieses Gebet uns tief miteinander verbunden, das war fast physisch zu spüren. Der Heilige Geist ist nicht an Raum und Zeit gebunden und bringt uns zusammen, das habe ich da endlich verstanden!

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