Impuls zum 14. Sonntag im Jahreskreis

von Gemeindereferentin Monika Tenambergen

Foto: Pixabay

 

Lesung: Ezechiel 1,28c-2,5

In jenen Tagen

1,28cd schaute ich das Aussehen der Gestalt der Herrlichkeit des Herrn. Und ich fiel nieder auf mein Angesicht. Da hörte ich die Stimme eines Redenden.

2,1 Er sagte zu mir: Menschensohn, stell dich auf deine Füße; ich will mit dir reden.

2 Da kam Geist in mich, als er zu mir redete, und er stellte mich auf meine Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete.

3 Er sagte zu mir: Menschensohn, ich sende dich zu den Söhnen Israels, zu abtrünnigen Völkern, die von mir abtrünnig wurden. Sie und ihre Väter sind von mir abgefallen, bis zum heutigen Tag.

4 Es sind Söhne mit trotzigem Gesicht und hartem Herzen. Zu ihnen sende ich dich. Du sollst zu ihnen sagen: So spricht Gott, der Herr.

5 Sie aber: Mögen sie hören oder es lassen – denn sie sind ein Haus der Widerspenstigkeit –, sie werden erkennen müssen, dass mitten unter ihnen ein Prophet war.

 

Impuls

In der Lesung aus dem Ersten Testament begegnen wir an diesem Sonntag dem Propheten Ezechiel (Bedeutung: Gott möge stärken). Wir werden Zeugen seiner Berufung zum Propheten, genauer gesagt: seiner Sendung zum Volk Israel, das sich schon seit Generationen widerspenstig gegen JHWH verhält. Dieser Sendung ist eine überwältigende Erfahrung der Herrlichkeit Gottes vorausgegangen, die bildreich im ersten Kapitel des Prophetenbuchs erzählt wird. Diese Gotteserfahrung ist umso bedeutender für Ezechiel, als sie ihm im fernen Babylon zuteil wird.

Der babylonische König Nebukadnezar hatte den ganzen Nahen Osten erobert, darunter auch das kleine Königreich Juda mit seiner Hauptstadt Jerusalem und dem salomonischen Tempel, dem Ort der Gegenwart Gottes schlechthin. König Jojachin wurde abgesetzt und zusammen mit der gesamten politischen und religiösen Führung fast tausend Kilometer nach Osten an den Fluss Kebar im heutigen Irak deportiert.

Zu dieser Gruppe der aus Jerusalem ins babylonische Exil Verschleppten gehörte Ezechiel. Er stammte aus einer Priesterfamilie, bei seiner Deportation war er 25 Jahre alt. Nun, fünf Jahre später, hätte er seinen Dienst im Heiligtum im Tempel von Jerusalem antreten sollen. Zum ersten Mal hätte er das Allerheiligste betreten und damit vor den Thron Gottes treten dürfen, den die dort aufbewahrte Bundeslade symbolisierte. Stattdessen befindet er sich in Babylon, im Exil, im Land der fremden Götter.

An diesem Tag hat Ezechiel seine erste Vision. Er sieht die ganze Herrlichkeit Gottes, die er kaum mit Worten, sondern nur in Bildern beschreiben kann. Gott kommt auf einem himmlischen Thronwagen[1] zu ihm ins Exil nach Babylon. Zum ersten Mal macht Ezechiel die Erfahrung: Gott ist auch hier bei uns in der Fremde. Gott lässt sich nicht an einen heiligen Ort – den Tempel in Jerusalem – binden, und er bindet sich auch selbst nicht daran. Gott ist überall gegenwärtig. Für Ezechiel war das eine ganz neue Erkenntnis, eine ganz neue Erfahrung mit Gott: Gott ist überall. Darum kann er auch im Exil seinen Dienst als Priester und als Prophet antreten: Gott ist überall. Er bindet sich an keinen bestimmten Ort, an keinen Tempel, an kein Gebäude, an kein Zelt. Wie tröstlich für Ezechiel in der Verbannung! Und wie tröstlich auch für uns, gerade an diesem Sonntag, an dem wir zum letzten Mal in der Großhansdorfer Kirche Gottesdienst feiern.

Mich beeindruckt, wie es dann weitergeht. Ezechiel ist von dieser Erscheinung Gottes so überwältigt, dass es ihn glatt zu Boden wirft. Es haut ihn um. Klein und demütig wirft er sich auf sein Angesicht. Aber so kann und will Gott nicht mit ihm reden. Darum spricht er zu ihm: „Menschensohn, stell dich auf deine Füße, ich will mit dir reden.“ Für den Dienst, zu dem Gott Ezechiel berufen wird, kann er nur jemanden gebrauchen, der aufrecht steht, einen mit Rückgrat, einen, der nicht so schnell klein beigibt, einen mit Blick nach vorn, einen mit Mut zur Zukunft. Dazu rüstet Gott selbst ihn aus mit dem Geist, der ihn mit beiden Beinen fest auf die Füße stellt. Diesen festen Stand braucht der Prophet, denn die Botschaft, die er verkünden soll, ist hartes Brot für seine Leute und für ihn selbst. Und sein Volk, zu dem er gesendet wird, ist wie gesagt widerspenstig: Die Söhne und Töchter Israels sind trotzig, ihre Herzen sind verschlossen, schon seit Generationen.

Ezechiels Botschaft richtet sich gegen den Götzendienst, gegen falsche Prophetinnen und Propheten und gegen soziale Missstände. Die richtige Gottesverehrung und der wahrhaftige Gottesdienst sind nicht an einen ganz bestimmten Ort gebunden, sondern an das richtige Verhalten der Menschen, egal ob zuhause in Jerusalem oder im Exil in Babylon. Ezechiel wird sich selbst an dieser Botschaft messen lassen.

Als Getaufte sind wir zum allgemeinen priesterlichen Dienst berufen, ebenso zum prophetischen Dienst. Das erlaubt uns einerseits, aufrecht vor Gott zu stehen und ihm zu dienen.[2] Zugleich sind wir Gesandte mit derselben Botschaft, die Ezechiel zu verkünden hatte: wir sollen zur Abkehr vom „Götzendienst“ aufrufen – wir sollen für die Wahrheit eintreten – wir sollen uns an die Seite der Schwachen stellen. Und wir dürfen Hoffnung verkünden, denn Gott ist Vergebung und ermöglicht immer wieder einen neuen Anfang: Er kann ein Herz aus Stein in ein Herz aus Fleisch verwandeln[3] – und er schenkt seinen Geist, der unser Handeln nach seinem Willen formt.

Quellen:

  • Linzer Fernkurse Erstes Testament
  • Benjamin Kilchör, Ich habe dich zum Wächter gesetzt, Logos Editions
  • www.in-principio.de
  • www.joerg-sieger.de

[1] Der himmlische Thronwagen symbolisiert die Allgegenwart Gottes.

[2] Im zweiten eucharistischen Hochgebet, dem ältesten der katholischen Kirche, heißt es: „Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“

[3] Ez 11,19 f. und Ez 36,26

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