Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit A

von Pastor Stefan Krinke

Evangelium: Joh 20,19-31

19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!

20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.

21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.

22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!

23 Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

24 Thomas, der Dídymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam.

25 Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.

26 Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch!

27 Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!

28 Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott!

29 Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

30 Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind.

31 Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.

 

Predigt: Glaubensfragen

Die Fragen nach dem Glauben beschäftigen alle Menschen, ob sie glauben oder nicht. Und auch jene, die von sich sagen, dass sie glauben, benötigen die Auseinandersetzung damit. Der Glaube kann auch verloren gehen … Die biblischen Texte der österlichen Zeit regen an, uns mit diesem persönlichen Glauben an die Auferstehung Jesu auseinanderzusetzen. Daher hören wir in jedem Jahr am „Weißen Sonntag“, den viele Ältere mit ihrer Ersten Heiligen Kommunion verbinden, das Evangelium von der Begegnung Jesu mit seinen Jüngerinnen und Jüngern und – darin enthalten – die besondere Begegnung Jesu mit Thomas. Thomas, der fälschlicherweise oft der „Ungläubige“ genannt wird, steht für den fragenden Menschen. Er möchte Sehen und Glauben. Ihm wird es gewährt – uns aber bleibt (nur) der Glaube? Dass es uns mit diesem nicht immer ganz leichtfällt, wird uns mitunter schmerzlich bewusst.

Zu diesem Thema soll der verstorbene Papst Benedikt hier zu Wort kommen:

Der Glaube ist nie einfach da, so dass ich ab einem bestimmten Zeitpunkt sagen könnte: Ich habe ihn, andere haben ihn nicht. (…) Er ist etwas Lebendiges, das den ganzen Menschen – Verstand, Wille, Gefühl – in allen seinen Dimensionen einbezieht. Er kann zwar dann im Leben immer tiefer einwurzeln, so dass mein Leben mit meinem Glauben mehr und mehr identisch werden kann, aber trotzdem ist er nie einfach ein Besitz. Der Mensch behält immer die Möglichkeit, dieser anderen Tendenz in sich nachzugeben und zu Fall zu kommen. Der Glaube bleibt ein Weg. Solange wir leben, sind wir unterwegs, und deswegen wird er auch immer wieder bedroht und bedrängt. Und es ist auch heilend, dass er nicht zu einer handhabbaren Ideologie wird. Dass er nicht verhärtet und mich unfähig macht, mit dem fragenden, zweifelnden Bruder mitzudenken und auch mitzuleiden. Glaube kann nur dadurch reifen, dass er in allen Stufen des Lebens die Bedrängung und die Macht des Unglaubens neu erträgt und aufnimmt und sie dann schließlich auch durchschreitet, damit er wieder in einer neuen Zeit begehbar wird.[1]

Mein Glaube im Wandel, mein Glaube in der Auseinandersetzung mit dem Leben. Wir reden mitunter vom „Kinderglauben“, in dem man „stecken bleiben“ kann … Je nach der Art, wie jede und jeder von uns ist, kann diese Erkenntnis verunsichern – oder mich gerade bestärken. Verunsichern vielleicht dann, wenn mir ein fester Glaubenshalt so wichtig ist, dass daran nicht „gerüttelt“ werden darf. Bestärken können mich Fragen und vielleicht Zweifel am Glauben darin, nicht stehen zu bleiben auf diesem Glaubensweg. Mit jedem Moment unserer persönlichen Entwicklung durchschreiten wir auch immer wieder Wegstrecken unseres Glaubens, von denen wir uns selbst Rechenschaft geben sollten. Dazu laden mich sowohl der „suchende“ Thomas als auch die Worte von Papst Benedikt ein.

[1] aus: Josef Ratzinger – Benedikt XVI.: Gott und die Welt. Ein Gespräch mit Peter Seewald. München 2005, S. 39 ff.

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