Geistlicher Impuls zum 4. Adventssonntag

von Monika Tenambergen

Fotos: Monika Tenambergen und Pixabay

Evangelium Lk 1,26-38

In jener Zeit wurde der Engel Gábriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret zu einer Jungfrau gesandt.

Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.

Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.

Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben.

Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.
Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.

Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?

Der Engel antwortete ihr: Heiliger Geist wird über dich kommen und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.

Siehe, auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar gilt, ist sie schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich

Da sagte Maria: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.

Danach verließ sie der Engel.

Impuls: Gottes Partnerin

In dieser Skulptur des südtiroler Bildhauers Hermann Josef Runggaldier (*1948) wird das Evangelium des 4. Adventssonntag künstlerisch dargestellt. Sie steht in der Kirche San Fermo Maggiore in Verona. Als ich sie bei einem Besuch der Kirche im Frühjahr dieses Jahres zufällig entdeckte, konnte ich lange meinen Blick nicht von ihr lassen. Sie lud mich ein, mich in diesen intimen Moment der Begegnung zwischen dem Erzengel Gabriel und Maria hineinzudenken und zu fühlen.

Lebensgroß stehen die beiden vor mir. Vorne Maria, hinter ihr der Engel Gabriel in menschlicher Gestalt, ohne Flügel. So ist seine himmlische Herkunft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Er ist geerdet. Kein greller Schein, kein lauter Einbruch in die Privatsphäre Marias, sondern ein behutsames Eintreten in ihre Welt, in ihr Leben.

Die beiden Figuren sind ganz und gar aufeinander bezogen, wie in einem engen Dialog. Flüsternd und leicht nach vorne gebeugt spricht Gabriel zu der jungen Frau: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ (Lk 1,28) Und Maria wendet ihren Kopf leicht zur Seite, um mit aufmerksamem Ohr ihrem Gesprächspartner zuzuhören. Sie erschrickt bei der Anrede und überlegt, was dieser Gruß bedeuten könnte, denn in ihm klingt an, was zuvor nur denjenigen zugesprochen wurde, die Gott für eine große Aufgabe erwählt hatte.[1] Und ihr Blick scheint zu fragen: „Was kommt da auf mich zu?“ Sie lauscht der Botschaft des Engels und spricht aus, was sie denkt: „Wie soll das geschehen?“ Ich finde diese kritische Nachfrage sehr sympathisch, denn wer fragt, geht den Dingen auf den Grund, will verstehen. Kein blinder Gehorsam, sondern gereifter Glaube. Nur ein gereifter Glaube kann in Freiheit Gottes Plänen zustimmen.

Ich betrachte die Skulptur noch genauer, die Körpersprache der jungen Frau. Die linke Hand liegt auf ihrem Leib, die rechte schützt ihre Brust. Dieser Leib wird den Sohn Gottes empfangen und zur Welt bringen. Diese Brust wird das Kind stillen und ernähren. Doch dazu braucht Gott das in Freiheit ausgesprochene „Ja“ dieser jungen Frau, dieses „Ja“, das es Gott ermöglicht, Mensch zu werden. Was für eine Partnerschaft zwischen Gott und Mensch!

Ich bleibe noch einen Augenblick vor der Skulptur stehen. Aus der zufälligen Entdeckung ist eine Begegnung geworden. Die Skulptur spricht mich an, sie spricht zu mir und ich suche nach den leisen Augenblicken, in denen Gott behutsam in meine Welt, in mein Leben eintritt. Bin ich dann, wie Maria, die aufmerksam Hörende? Werde ich dann, wie Maria, durch kritisches Fragen meinen Glauben immer weiter vertiefen? Werde ich dann, wie Maria, mit einem in Freiheit gesprochenen „Ja“ Gottes Partnerin sein, damit er mit mir seinen Plan für die Welt erfüllen kann?

 

[1] „Der Herr ist mit dir.“  Diese Zusage erhielten auch Josef am Hofe Potifars in Ägypten (Gen 39,2.21);  Samuel bei seiner Berufung im Tempel (1 Sam 3,19); David als König von Israel (2 Sam 5,10); der Richter Gideon bei seiner Berufung (Ri 6,12)

 

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